Krankenhausapotheker versorgen die Stationen der zugehörigen Häuser mit Fertigarzneimitteln und Eigenherstellungen, beraten Ärzte und Pflegekräfte und stellen so die Versorgung von Patienten während des stationären Aufenthalts sicher. Ein wachsendes Tätigkeitsfeld ist dabei die patientenindividuelle Verblisterung von Arzneimitteln. Für jeden Patienten und jeden Einnahmezeitpunkt werden die benötigten Tabletten separat verpackt. Wie sieht dieser Arbeitsbereich aus und was gilt es zu beachten?
Die Verblisterung ist Teil eines geschlossenen Medikationsprozesses (s. Kasten Closed-Loop-Medication-Management), in dem Fehler auf ein Minimum reduziert werden und ein wertvoller Beitrag zur Arzneimitteltherapiesicherheit geleistet wird. Das Apothekenteam geht dabei verschiedenen Aufgaben nach. Es wird sowohl klinisch als auch herstellend gearbeitet, und es bietet sich ein Überblick über die Therapien der stationären Patienten. Durch Rücksprachen zwischen Ärzten, Pflegekräften und dem Apothekenteam wird zusätzlich die interdiszipliniäre Zusammenarbeit gestärkt.
Closed-Loop-Medication-Management 2020 ist das sogenannte Krankenhauszukunftsgesetz (KHZG) in Kraft getreten. Es hat u. a. zum Ziel, die Digitalisierung in Krankenhäusern voranzutreiben und das Medikationsmanagement zu verbessern, und ermöglicht Förderungen für entsprechende Investitionen [1]. Für den Medikationsprozess ist die Idealvorstellung das Closed-Loop-Medication-Management (CLMM) – ein geschlossener Kreislauf, durch den Flüchtigkeits- und Übertragungsfehler möglichst vermieden werden. Das CLMM umfasst folgende Elemente: elektronische Anordnung durch den Arzt, Medikationsmanagement durch den Apotheker, patientenindividuelle Bereitstellung der Arzneimittel durch die Apotheke und digitale Dokumentation der Verabreichung durch die Pflege [2]. |
Anordnung der Medikation
Bevor die Verblisterung starten kann, muss die Medikation elektronisch angeordnet werden. Dafür wird ein Programm verwendet, auf das sowohl das ärztliche Personal als auch die Pflege und das Apothekenteam Zugriff haben. Der zuständige Arzt gibt die Dauer- und Bedarfs-Medikation des Patienten ein – diese umfasst die Hausmedikation und wird im Laufe des Krankenhausaufenthalts ggf. ergänzt oder verändert, wenn z. B. die Dauertherapie umgestellt oder eine akute Infektion behandelt wird. Durch die Apotheke werden in den Stammdaten der Software die vorrätigen Arzneimittel und Firmen hinterlegt, sodass später eine Übermittlung an den Blisterautomaten möglich ist.
Die Apothekerinnen und Apotheker prüfen („validieren“) täglich die neu angeordneten oder umgestellten Arzneimittel der Patientinnen und Patienten. Dabei wird beurteilt, ob die Therapie plausibel ist, ob die Dosierungen korrekt sind oder ggf. Anpassungen, z. B. an die Organfunktionen oder das Alter, notwendig sind. Es wird auf Wechselwirkungen und Kontraindikationen geprüft. Die Software unterstützt die Apothekerinnen und Apotheker durch Warnmeldungen und bietet außerdem Zugriff auf z. B. Laborwerte und Visiteneinträge. Wenn ein mögliches Problem in der Therapie auffällt, wird Rücksprache mit Ärztinnen bzw. Ärzten und/oder Pflegekräften gehalten, um Fragen zu klären oder Empfehlungen auszusprechen. Zu festgelegten Zeiten werden die Medikationsdaten der jeweiligen Station an den Blisterautomaten übermittelt.
Produktion der Blistertüten
Die maschinelle Verblisterung erfolgt im Reinraum mithilfe eines Automaten, der individuelle Blisterbeutel für die Patientinnen und Patienten produziert. Er ist mit zahlreichen Kanistern bestückt, die jeweils ein bestimmtes Arzneimittel enthalten. Da im Krankenhaus im Gegensatz zur öffentlichen Apotheke keine Rabattverträge beachtet werden müssen, ist jedes Arzneimittel in der Regel nur von einer Firma vorrätig. Jeder Kanister ist an einen Fallschacht angeschlossen. Wenn ein Auftrag an die Maschine geschickt wird, werden die Kanister so angesteuert, dass genau die benötigten Arzneimittel in der richtigen Menge und Reihenfolge durch die Fallschächte in einen Sammeltrichter fallen, aus dem sie in die Blistertüten verteilt werden. Arzneimittel, die selten benötigt werden, und geteilte Tabletten werden nicht in Kanistern gelagert, sondern händisch über ein spezielles Tablett gestellt und der Maschine separat zugeführt.
Die Folie für eine Tüte wird nach Einfüllen des jeweiligen Arzneimittels verschweißt und bedruckt.
Es wird pro Patientin bzw. Patient, Einnahmezeitpunkt und ggf. Arzneimittel eine Blistertüte produziert. Je nach Verfahren sind ein oder mehrere Arzneimittel pro Tüte enthalten (s. Kasten „Unit, Combi, Multi Dose“). Die Tüte wird mit allen Angaben bedruckt, die sich auch auf einem Rezepturarzneimittel finden würden. Denn formal handelt es sich bei der Verblisterung um eine Rezepturherstellung. Zusätzlich werden Angaben aufgedruckt, die die Zuordnung erleichtern. Insgesamt umfasst die Beschriftung:
– Patientendaten (Name, Geburtsdatum, Zimmernummer),
– Einnahmezeitpunkt,
– Arzneimitteldaten (Art, Menge, Charge, Aussehen),
– Einnahmehinweise,
– Verfallsdatum,
– abgebende Apotheke [3].
Über einen aufgedruckten QR-Code können Patientinnen und Patienten den Beipackzettel aufrufen.
Auch die weiteren Anforderungen an klassische Rezepturen müssen erfüllt werden. So muss vor der Aufnahme eines Arzneimittels in den Blisterprozess geprüft werden, ob es für die Verblisterung geeignet ist. Bei sehr feuchtigkeitsempfindlichen Tabletten (z. B. Kochsalz) kann beispielsweise die Lagerung im Kanister problematisch sein. CMR-Wirkstoffe (cancerogen, mutagen, reproduktionstoxisch; z. B. orale Zytostatika wie Imatinib) werden im Originalblister belassen und als einzeln ausgeschnittene Tabletten nach der maschinellen Produktion von Hand in die Blistertüten eingefügt, um Kontaminationen zu vermeiden. Zu jedem Herstellungstag wird ein Herstellungsprotokoll angefertigt, und die Produktion wird durch die zuständige Apothekerin oder den zuständigen Apotheker freigegeben. Auch die Entblisterung von Arzneimitteln für die Kanister muss dokumentiert werden. Hier wird ebenfalls ein Protokoll erstellt, es wird eine vollständige Beschriftung der Vorräte sichergestellt und es erfolgt eine Freigabe durch Apothekerinnen bzw. Apotheker [3].
Unit, Combi, Multi Dose Wenn in einer Blistertüte grundsätzlich nur eine Tablette oder Kapsel enthalten ist, handelt es sich um Unit Dose. Der Begriff Combi Dose bedeutet, dass jeweils nur ein bestimmtes Arzneimittel verblistert wird. Falls aber zu einem Zeitpunkt mehrere gleiche Tabletten oder Kapseln eingenommen werden sollen, werden diese in derselben Tüte verpackt. Wenn auch verschiedene Arzneimittel desselben Einnahmezeitpunkts in einer Tüte kombiniert werden, handelt es sich um Multi Dose. Diese Variante spart Verpackungsfolie. Nachteilig kann aber sein, dass verblisterte Arzneimittel vom Pflegepersonal nicht oder schwieriger entfernt oder ausgetauscht werden können. |
Endkontrolle per Maschine
Die fertigen Blisterstränge pro Station werden endkontrolliert und können zusätzlich in die einzelnen Patientenstränge getrennt werden. Für beide Aufgaben gibt es spezielle Kontrollgeräte, die überprüfen, ob die Informationen des Produktionsauftrags mit den fertigen Tüten übereinstimmen. Dabei werden Fotos der Tüten aufgenommen und automatisch mit hinterlegten Bildern der erwarteten Arzneimittel verglichen. Wenn das Gerät einen potenziellen Fehler detektiert, muss dieser durch einen Menschen bestätigt oder widerlegt werden. Tatsächliche Fehler, z. B. defekte Tabletten oder Tabletten in der falschen Tüte, werden von Hand korrigiert. Auch hier erfolgt eine Dokumentation aller Kontroll- und Korrekturschritte. Zusätzlich schneidet das Kontrollgerät zwischen den einzelnen Patientensträngen. Die fertigen Einzelstränge werden per Scan der jeweiligen Station zugeordnet und nach vollständigem Abschluss der Produktion an diese verschickt.
Auf Station
Auf Station erfolgt ein Abgleich der verblisterten Arzneimittel mit den Anordnungen. Falls sich seit dem Zeitpunkt des Verschickens an den Blisterautomaten noch Änderungen ergeben haben, werden durch die Pflegekräfte einzelne Arzneimittel entfernt, ersetzt oder dazugegeben. Je nach Zustand der Patienten wird ihnen der gesamte Blisterstrang ausgehändigt oder sie werden zu den einzelnen Zeiten durch die Pflege bei der Einnahme unterstützt. Die Station ist jetzt für einen Tag mit Arzneimitteln versorgt. Am nächsten Tag beginnt der Prozess dann wieder aufs Neue.
Literatur
[1] Krankenhauszukunftsgesetz für die Digitalisierung von Krankenhäusern. Information des Bundesministeriums für Gesundheit, www.bundesgesundheitsministerium.de/krankenhauszukunftsgesetz, Stand Juni 2024
[2] Closed Loop Medication Management. Information des Bundesverbands Deutscher Krankenhausapotheker (ADKA), www.adka.de/adka/adka-ziele/clmm, letzter Abruf Juli 2024
[3] Eisend S et al. Anforderungen an eine Unit-Dose-Versorgung in der Krankenhausapotheke: 1. Revision der ADKA-Leitlinie. Krankenhauspharmazie 2021;42:509-514