Wie man Fachapotheker für Allgemeinpharmazie wird
Nach dem Pharmaziestudium warten neue Herausforderungen auf euch. Neben dem faktischen Wissen rund um Arzneimittel zählt, wie ihr es an Patient*innen vermittelt. Diese Aufgabe ist nicht immer leicht. Oft fehlen die richtigen Worte, um komplexe Sachverhalte verständlich zu erklären. Wichtig ist, Vertrauen zu schaffen, Verständnis und Kompetenz zu zeigen. Aber wie erlernt man das? Eine Möglichkeit ist die Weiterbildung zum oder zur Fachapotheker*in für Allgemeinpharmazie. Neben indikationsbezogenen Seminaren zu Themen wie Diabetes mellitus, Hauterkrankungen, Infektionskrankheiten und Herz-Kreislauf Erkrankungen werden während der dreijährigen Weiterbildung auch kommunikative Fähigkeiten vermittelt.
Täglich suchen nicht nur Millionen von Menschen Rat und Hilfe in einer Apotheke – auch Ärzt*innen sind auf die Expertise von Apotheker*innen angewiesen. Während einige Fragen sofort beantwortet werden können, erfordern andere, z. B. mögliche Arzneimittelalternativen bei einem Lieferengpass, eine detaillierte Recherche. Im Seminar „Arzneimittelinformation“ im Rahmen
der Weiterbildung lernen Apothekerinnen, wie sie solche systematisch erfassen und analysieren. An erster Stelle steht zu ermitteln, was die fragende Person wissen will: Was ist die Kernfrage? Steht eine Frage hinter der Frage? Erst danach wird recherchiert. Sehr hilfreich ist ein „Recherche-Werkzeugkasten“, den sich Teilnehmende während des Seminars zusammenstellen können, um geeignete Informationsquellen auszuwählen und adäquate Strategien und Suchtechniken anzuwenden. Die gewonnenen Informationen werden am Ende zielgruppenspezifisch an Ärztinnen oder Patient*innen
weitergegeben und bestenfalls dokumentiert.
Für Apotheker*innen klar – für Laien nicht
Eine kompetente Beratung umfasst mehr als nur die Beantwortung von Fragen, sondern auch Arzneimittelbezogene Probleme (ABP) zu erkennen, zu bewerten, zu lösen und im besten Fall zu vermeiden. Entstehen können sie im gesamten Medikationsprozess, von der Verordnung über das Einlösen des Rezeptes, der Abgabe und Einnahme bis hin zur Verabreichung eines Arzneimittels. Laut Pharmaceutical Care Network Europe Association (PCNE) sind ABP Ereignisse oder Umstände bei der Arzneimitteltherapie, die tatsächlich oder potenziell das Erreichen angestrebter Therapieziele verhindern. In Seminaren wie „Erkennen, Bewerten und Lösen von arzneimittelbezogenen Problemen“, „Interaktionsmanagement“ und „Beratungsintensive Arzneiformen“ lernen die Apothekerinnen, wie sie diese Herausforderungen meistern. Denn was für den Fachmann selbstverständlich ist – etwa die richtige Anwendung eines Inhalators, kann für den Laien schwierig sein. Auch bei Kapseln, Tabletten, Dosierpumpen, Augentropfen, Nasen- und Ohrentropfen, subkutanen Injektionen, transdermalen therapeutischen Systemen (TTS) und Arzneiformen zur vaginalen/rektalen Anwendung schleichen sich Fehler ein oder ihre Anwendung ist bereits im Vorhinein unverständlich. Selbst wenn Patient*innen eine Beratung ablehnen, lautet die Devise: „Ein Satz geht immer“.
Praxis zählt
In der Apotheke meldet die Apothekensoftware regelmäßig Interaktionen, besonders bei multimorbiden Patient*innen. In der Weiterbildung zum/zur Fachapotheker*in für Allgemeinpharmazie lernen Apotheker*innen diese in verschiedenen praktischen Tätigkeiten einzuschätzen. Sind die Interaktionen klinisch relevant? Ist eine Intervention nötig? Wie dokumentiere oder übermittle ich die Informationen an behandelnde Ärzt*innen? Zudem sollen sie das Apothekenteam mit Fallbeispielen schulen. Neben Wechselwirkungen kommen ab und an unerwünschte Arzneimittelwirkungen bei Patient*innen vor. Diese sollen als „praktische Aufgabe“ erfasst, bewertet, dokumentiert und an die zuständige Stelle weitergeleitet werden. Patient*innen, die mehr als fünf Arzneimittel einnehmen, können zudem von einer Medikationsanalyse profitieren. Mithilfe des Seminars „Medikationsanalyse und -management in der Apotheke“ werden mindestens zwei Medikationsanalysen in der Apotheke während der Weiterbildung durchgeführt. Mit den erworbenen Kenntnissen können Fachapotheker*innen für Allgemeinpharmazie eigenständig und sicher Medikationsanalysen durchführen. Ein weiterer Vorteil ist, dass das neu erlernte Wissen zeitnah in Beratungssituationen angewendet werden kann.
Der oder die Weiterzubildende bespricht die durchgeführten praktischen Tätigkeiten und seinen/ihren aktuellen Wissensstand regelmäßig (halbjährlich) mit dem oder der zur Weiterbildung ermächtigten Apotheker*in – oftmals dem oder der Apothekenleiter*in oder Filialleiter*in.
Richtig desinfizieren, abwiegen, herstellen
Neben Beratung und Medikationsanalyse spielt die Arzneimittelherstellung eine wichtige Rolle in der Apotheke. Auch wenn meist PTA in der Rezeptur stehen, lohnt es sich für Apotheker*innen „hinter die Kulissen“ zu schauen – schließlich tragen sie mit ihrer Unterschrift die Verantwortung für die Rezeptur. Um den gesamten Prozess der Arzneimittelherstellung verstehen zu können,
müssen der praktische Teil und die damit einhergehenden Probleme verstanden werden, weshalb der oder die Weiterzubildende mindestens an einem Ringversuch des Zentrallaboratorium Deutscher Apotheker teilnehmen und die Rezeptur eigenständig herstellen soll. Außerdem werden drei Rezepturen anhand der Plausibilität beurteilt und angefertigt. Im hektischen Apothekenalltag können theoretisch selbstverständliche Dinge schnell vergessen werden, beginnend mit der Verschreibung. Ist die Rezeptur plausibel? Sind die Inhaltsstoffe lieferbar? Was ist zu beachten, wenn Fertigarzneimittel als Ausgangsstoff verwendet werden? Dürfen Kosmetika eingesetzt werden? Ist ein Korrekturfaktor nötig? Darf die Rezeptur im Topitec® hergestellt werden oder sollte lieber per Hand gerührt werden? Und bei Letzterem: Sollte lieber eine Melamin- oder Metallschale verwendet werden? Im Seminar „Arzneimittelherstellung“ werden viele hilfreiche Tipps gegeben, um sich Schritt für Schritt durch den Herstellungsprozess zu angeln. Die Hygiene darf in keinem Fall vernachlässigt werden. Das Labor muss regelmäßig, mindestens einmal in der Woche, gründlich gereinigt werden. Nicht zu verwechseln mit der „Desinfektion“ des Arbeitsbereiches, die stets vor jeder Rezepturanfertigung erfolgen sollte. Waagen werden mit externen Gewichten kalibriert, vor jeder Anwendung justiert und alle zwei Jahre geeicht.
Austausch unter Kollegen
Die Seminare und Webinare bieten nicht nur Fachwissen, sondern auch die Gelegenheit, sich mit anderen Teilnehmenden auszutauschen und zu vernetzen. In Webinaren ermöglichen „Breakout-Sessions“ Gruppenarbeiten und intensivere Diskussionen. Ein Sahnehäubchen kann sein, wer die Weiterbildung zeitgleich mit ehemaligen Kommilitonen abschließt. Da kann ein Seminar, welches bei der Landesapothekerkammer vor Ort stattfindet, zum freudigen Wiedersehen werden.
Projektarbeit
Ein weiterer Bestandteil der Weiterbildung ist die Erstellung einer Projektarbeit. Das Thema kann frei gewählt werden, sollte jedoch einen praktischen Bezug haben. Am besten geht man in sich und überlegt: Was beschäftigt mich und meine Apotheke? Wie kann ich ein „Problem“ lösen, einen Ablauf vereinfachen oder strukturieren? Welchen Nutzen haben meine Apotheke und der Patient davon?
Am Ende steht das Fachgespräch
Nach drei Jahren ist es geschafft. Im letzten Schritt müssen alle Unterlagen wie Lebenslauf, Teilnahmebescheinigungen, Medikationsanalysen, praktische Tätigkeiten, Gesprächsprotokolle, Projektarbeit und das Weiterbildungszeugnis elektronisch bei der entsprechenden Landesapothekerkammer eingereicht werden. Erfüllen diese den Anforderungen der Richtlinie zur Weiterbildungsordnung, wird circa zwei Wochen vor der Prüfung die Zulassung zum Fachgespräch erteilt. Wer jetzt ein Staatsexamen Déjà-vu erlebt, kann beruhigt bleiben. Die 30-minütige Prüfung erfordert Fachwissen – keine Frage – aber so unberechenbar wie einst das Staatsexamen ist sie nicht. Der Weiterzubildende wird abwechselnd zur Projektarbeit, zu den Seminarinhalten und Weiterbildungsgesprächen befragt. Der Einstieg erfolgt meist mit dem gut vorbereiteten Projektthema.
Letztendlich ist die Weiterbildung eine wertvolle Möglichkeit, sich mit anderen Apotheker*innen zu vernetzen, die eigene Expertise zu vertiefen, kommunikative Fähigkeiten und die Qualität der Patientenversorgung zu verbessern. Der wahre Mehrwert der Beratung entsteht, wenn Patient*innen von den eigenen Empfehlungen tatsächlich profitieren. Anders als im Studium, das sich hauptsächlich auf Arzneimittel konzentriert, steht in der Apotheke der Mensch mit seinen individuellen Bedürfnissen im Mittelpunkt.
Lohnt sich der Zeitaufwand? – Ein Kommentar von Sarah F. Decker-Izzo Die Weiterbildung zum Fachapotheker kostet Zeit – genau genommen drei Jahre. Wer in Teilzeit arbeitet, braucht sogar noch länger. Doch lohnt es sich, diese wertvolle Zeit zu investieren? Wer die Weiterbildung nutzt, um sein Wissen nicht nur theoretisch zu vertiefen, sondern es auch praktisch anzuwenden, wird vor allem eines erleben: mehr Freude an der Arbeit. Denn man bleibt nicht nur auf dem neuesten Stand, sondern knüpft auch wertvolle Kontakte, die den fachlichen Austausch fördern. Für Apotheken ist die Weiterbildung ebenfalls ein Gewinn. Wird das erworbene Wissen mit Kolleg*innen geteilt, verbessert sich nicht nur die Beratungsqualität, sondern auch das Team wächst enger zusammen. Zudem vermittelt die Weiterbildung wertvolle Soft Skills wie Kommunikationsfähigkeit, Teamfähigkeit und Führungskompetenzen – gerade für diejenigen, die überlegen, eine eigene Apotheke zu leiten, kann das ein entscheidender Vorteil sein. Auch für andere sind diese Fähigkeiten hilfreich, da Apotheker*innen oft eine leitende Rolle zugesprochen wird, ohne darin je geschult worden zu sein. Natürlich gibt es auch Nachteile: Die Weiterbildung ist mit Kosten und einem erheblichen Zeitaufwand verbunden. Ob sie sich lohnt, hängt stark von den individuellen Erwartungen ab. Ein höheres Gehalt ist meist nicht garantiert und hängt vom jeweiligen Arbeitgeber ab. Wer jedoch fachlich am Ball bleiben, sein Netzwerk erweitern und neue Verantwortungsbereiche wie Medikationsanalysen übernehmen möchte, wird von der Weiterbildung profitieren. |

Sarah F. Decker-Izzo hat die Weiterbildung zur Fachapothekerin für Allgemeinpharmazie im Winter 2024 abgeschlossen.
Faktencheck
Das gilt für die Weiterbildung zum/zur Fachapotheker*in für Allgemeinpharmazie:
- Anmeldung: schriftlich, bei der jeweiligen Landesapothekerkammer (LAK)
- Dauer: 36 Monate, Seminare: 120 Stunden
- Weiterbildungsplan: wird zu Beginn zwischen Weiterzubildenden und Ermächtigten gemeinsam erstellt
- Weiterbildungsstätte: Apotheke, die von der LAK als Weiterbildungsstätte zugelassen wurde; dort muss mindestens ein Fachapotheker für Allgemeinpharmazie beschäftigt sein
- Weiterbildungsgespräche: mindestens zweimal pro Weiterbildungsjahr; es wird der zurückliegende Weiterbildungsabschnitt besprochen, und neue Lerninhalte werden festgelegt; es sind ein bis zwei Seiten pro Gespräch zu protokollieren
- Praktische Tätigkeiten: Aufgaben, die nach Katalog durchzuführen und abzuzeichnen sind, inklusive zwei Medikationsanalysen mit realen Patientenfällen, die schriftlich bewertet werden
- Projektarbeit: Thema mit aktuellem Bezug zur Praxis, 12 Seiten
- Fachgespräch: mündlich, circa 30 Minuten