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Mal abschalten: Warum Multitasking keine Fähigkeit ist

Unsere moderne Welt überflutet uns mit Informa­tionen: Push-Benachrichtigungen, Reels, Belichtung, Temperatur oder Umgebungsgeräusche – all das fordert unsere Aufmerksamkeit. Aber wie selektiert unser Gehirn diese, und wie wirkt sich das auf unsere Konzentrationsfähigkeit aus?

Unser Gehirn verarbeitet täglich Millionen von Informationen und muss entscheiden, welche davon für uns
relevant und welche irrelevant sind. Die EINE Aufmerksamkeit gibt es dabei gar nicht, sondern viele Aufmerksamkeiten, die in unserem Gehirn zusammenspielen. Das heißt, unser Gehirn entscheidet nicht nur, auf welche ­Information wir uns gerade fokussieren, sondern auch, ­welche Informationen wir gerade aktiv unterdrücken, wie etwa Gespräche am Nachbartisch [2].

Selektive Aufmerksamkeit – der Cocktailparty-Effekt

Ein Beispiel ist der sogenannte Cocktailparty-Effekt. ­Jeder kennt das Phänomen: Man ist auf einer Party, hört wie aus dem Nichts seinen Namen und wird auf einmal aufmerksam. Dafür verantwortlich ist die selektive
Aufmerksamkeit. Sie entscheidet, welche Information im Moment aus der Informationsflut für uns relevant
ist. Diese Fähigkeit geht auf unsere Vorfahren zurück. ­Raschelte es auf einmal im Gebüsch, konnte das auf
eine Gefahr hindeuten, die sofortige Aufmerksamkeit erforderte [2].

Saliente Reize

Damit etwas unsere Aufmerksamkeit erregt und als relevante Information eingestuft wird, benötigt es einen ­salienten Reiz. Das ist der Fall, wenn etwas außerhalb unseres gewohnten Kontexts auftritt, beispielsweise ein intensiver Geruch, ein sehr lautes Geräusch oder etwas, das allgemein neu für uns ist. Push-Benachrichtigungen sind ein gutes Beispiel für saliente Reize [2].

Smartphone und Aufmerksamkeit

Der Kontext unserer Smartphone-Nutzung spielt eine wichtige Rolle. Meist nutzen wir unser Smartphone nebenbei, beispielsweise während wir eine Serie schauen oder einen Podcast hören. Das Problem: Unser Gehirn kann immer nur eine Aufgabe aufmerksam durch­führen. Multitasking ist also nicht das gleichzeitige Durchführen mehrerer Aufgaben, sondern das schnelle Wechseln – Switchen – zwischen ihnen. Das kostet uns ­Energie, Zeit und mentale Ressourcen. Informationen werden dadurch oft nur oberflächlich verarbeitet und ­gehen schneller verloren [4]. Forschende haben sogar ­herausgefunden, dass wir durch das Switchen bis zu 40% unserer produktiven Zeit einbüßen, und den Begriff switching costs etabliert [1].

Zurück zur Aufmerksamkeit und unserem Smartphone

Interessanterweise beeinflusst das Smartphone unsere Aufmerksamkeit selbst dann, wenn es ausgeschaltet ­neben uns liegt. Wir müssen nämlich aktiv den Impuls unterdrücken, nach ihm zu greifen. Diesen Impuls zu unterdrücken, entzieht uns dabei kognitive Ressourcen, die für das Verarbeiten anderer, ggf. wichtigerer Informationen nicht mehr zur Verfügung stehen [4]. In einer 2023 erschienenen Studie [3] wurde sogar gezeigt, dass Personen in Anwesenheit eines Smartphones langsamer arbeiten, und das, ohne sichtbar mit dem Smartphone zu interagieren, also ohne es anzuschauen oder in die Hand zu nehmen.

Warum möchten wir so unbedingt zum Smartphone greifen?

Schuld ist unser Belohnungssystem. Die Nutzung des Smartphones, vor allem wenn wir auf sozialen Medien unterwegs sind, aktiviert den Nucleus accumbens und führt zur Dopamin-Ausschüttung. Der Nucleus accumbens gehört zum Belohnungssystem und wird beispielsweise auch beim Sex oder durch Rauschdrogen aktiviert. Auch wenn die Aktivierung durch das Smartphone weniger intensiv ist, kann sie dennoch eine süchtig machende Wirkung entfalten [2, 4].

Tricks, um die Aufmerksamkeit zu erhöhen

  • Mitteilungseinstellungen von Apps checken und anpassen, z. B. Push-Benachrichtigungen ausstellen
  • die Farbe des Smartphone-Bildschirms bspw. auf schwarz-weiß stellen, dadurch werden weniger ­saliente Reize ausgelöst
  • das Handy außerhalb des Sichtfelds platzieren, in ­einer Schublade oder sogar in einem anderen Raum
  • beim Lernen Pausen einlegen und einer ganz anderen Aktivität nachgehen, wie eine Runde spazieren gehen oder Musik hören („Pomodoro-Technik“) [3]

Noch ein interessanter Tipp fürs Lernen: zurück zum analogen Buch

Für das Lernen komplexer Inhalte gibt es eine klare Empfehlung: Buch statt Smartphone oder Tablet. Grund ­dafür ist, dass wir uns komplexe Inhalte am besten merken können, wenn sie eine Dreidimensionalität besitzen. Das ist evolutionär bedingt, da die Gedächtnisareale, die wir zum Speichern differenzierterer Informationen verwenden, dieselben sind, die wir früher verwendet haben, um uns Wege zu merken. Das eigentliche Merken er­folgte dann anhand von Merkmalen entlang des Weges. Für komplexe Inhalte konnte auch tatsächlich gezeigt ­werden, dass diese in unterschiedlichen Hirnarealen gespeichert werden, wenn wir sie auf dem Smartphone oder in einem Buch gelesen haben. Denn auch Bücher besitzen eine Dreidimensionalität, und wenn wir uns an Gelerntes erinnern, wissen wir meist sogar, ob es am Anfang, in der Mitte oder am Ende des Buchs stand. Simpleres Wissen lässt sich hingegen problemlos auch über das Smartphone aufnehmen [4].

Podcasts zum Artikel

11KM: der tagesschau-Podcast
„Overload für’s Gehirn: Zu viel Smartphone?“

Cover: NDR/ARD

Weitere Podcastempfehlungen zum Thema

Aha! Zehn Minuten Alltags-Wissen
„Kein Handy, kein Laptop – Was bringt Dopamin-Fasten wirklich?“

Cover: Welt

Literatur

[1] American Psychological Association (APA). Multitasking: Switching costs, 20. März 2006.

[2] Quarks Daily Spezial. Dauernd abgelenkt – werden wir immer unkonzentrierter? 21. Oktober 2023.

[3] Skowronek J, Seifert A, Lindberg S. The mere presence of a smartphone reduces basal attentional performance. Sci Rep Jun 2023;13:9363.

[4] 11KM: der tagesschau-Podcast. Overload für’s Gehirn: Zu viel Smartphone? 20. Dezember 2024.

Tabea Krause

hat in Düsseldorf Pharmazie studiert. Seit ihrer Approbation arbeitet sie als Volontärin in der Redaktion der medizinisch-pharmazeutischen Zeitschriften des Deutschen Apotheker Verlags.