Hässlich durch Schlafmangel

Wer müde ist, bewertet Gesichter weniger positiv

detailblick-foto/AdobeStock

Wenn Sie am Morgen den Eindruck haben, dass Ihre Kollegen Sie missgünstig anschauen, liegt das vielleicht nur an Ihrem Schlafmangel.
Ein Forscherteam an der Universität Uppsala hat untersucht, wie sich akuter Schlafentzug auf die Bewertung von Gesichtern und Gesichtszügen auswirkt. 45 Männern und Frauen (Durchschnittalter 25 Jahre) wurden nach einer Nacht mit achtstündigem Schlaf sowie nach einer Nacht ohne Schlaf am Morgen Fotos von Menschen mit neutralem, wütendem, ängstlichem oder glücklichem Gesichtsausdruck vorgelegt. Ein Eye-Tracker verfolgte dabei die Augenbewegungen der Probanden. Alle sollten mittels einer visuellen Skala von 0 bis 100 angeben, wie attraktiv, gesund und vertrauenswürdig sie die Gesichter einstuften (z.B. 0 überhaupt nicht attraktiv, 100 sehr attraktiv). Waren die Probanden übernächtigt, bewerteten sie die Gesichter als unattraktiver, ungesünder und weniger vertrauenswürdig als im ausgeschlafenen Zustand. Müde wurden neutrale oder ängstliche Gesichter eher als unattraktiv klassifiziert und wütende Gesichter als wenig vertrauenswürdig. Nur die Bewertung des glücklichen Gesichtsausdruckes blieb von der Schlafdeprivation unbeeinflusst. Nach der schlaflosen Nacht betrachteten die Probanden die Gesichter auf den Fotos zudem signifikant kürzer: ungefähr 6 bis 10% weniger Betrachtungszeit konnte durch Schlafmangel mit dem Eye-Tracker erfasst werden. Dabei wurde, außer beim wütenden Gesichtsausdruck, die obere Gesichtspartie mit den Augen besonders kurz angeschaut. Da die Mimik und insbesondere die Augenpartie für soziale Interaktion wichtig sind, vermuten die Forscher, dass weniger Betrachtungszeit zu einer Fehleinordnung von Gesichtsausdrücken, negativer Bewertung und schließlich zu sozialem Rückzug und Isolation führen könnten.

LT van Egmond et al. How Sleep-Deprived People See and Evaluate Others Faces: An Experimental Study. Nature and Science of Sleep, 2022:14,867-876

Juliane Russ

Juliane Russ hat an der Universität Hohenheim Ernährungswissenschaften studiert. Mit dem Master in der Tasche fing sie im April 2022 ein Volontariat bei der Deutschen Apotheker Zeitung an.