Foto: PH German Alvarez/AdobeStock
Foto: PH German Alvarez/AdobeStock

Gefährliche Wechselwirkung

Kontraindiziert – Blinkt diese Meldung im Kassensystem in der Apotheke auf, müsst ihr genauer hinsehen, denn im schlimmsten Fall kann die gemein­same Einnahme der Arzneimittel für den Patienten im Krankenhaus enden. Welche kontraindizierten Interaktionen kommen immer wieder in Apotheken vor, und wie löst man das Problem?

Gelb, Orange, Rot und Dunkelrot – das sind die Farben der aufblinkenden Buttons im Kassensystem einer Apotheke, wenn eine Wechselwirkung zwischen zwei Arzneimitteln festgestellt wird. Die Meldungen basieren auf
den Informationen der Datenbank ABDATA, sie ist in die Warenwirtschaft aller deutschen Apotheken integriert, checkt Interaktionen und klassifiziert diese gemäß ihrer klinischen Relevanz (s. Tab.1) [1]. An den Farben der aufblickenden Warnmeldungen könnt ihr erkennen, wie schwerwiegend eine Interaktion ist. Wann diese individuell klinisch relevant wird, kann unterschiedlich sein. Ärzte müssen Nutzen gegen Risiko abwägen und eine Therapieentscheidung an den Patienten angepasst treffen. Blinkt der dunkelrote Button „kontraindiziert“ auf, müsst ihr in jedem Fall genauer hinschauen und klären, ob der Patient die wechselwirkenden Arzneimittel trotzdem einnehmen oder eine Alternative verordnet bekommen soll. Zunächst bewährt sich dazu ein Blick in die Kundenkartei, falls für den Kunden eine solche angelegt ist. Dort könnt ihr nachschauen, ob der Patient die wechselwirkenden Arzneimittel schon länger zusammen einnimmt. Natürlich könnt und solltet ihr den Patienten auch direkt fragen, ob ein verordnetes Arzneimittel neu für ihn ist, denn dann ist das Risiko für eine gefährliche Wechselwirkung besonders hoch. Tipp: Eine kleine Packungsgröße (Normgröße N1) kann ein Hinweis sein, dass ein Arzneimittel zum ersten Mal verordnet wurde. Stellt ihr fest, dass der Kunde oder die Kundin die zwei Arzneimittel schon länger zusammen einnimmt, solltet ihr trotzdem nachfragen, ob unter der Einnahme Nebenwirkungen auftraten und die Medikation vom Arzt überprüft wird. Prüft außerdem, ob die zusammen kontraindizierten Arzneimittel vom gleichen Arzt verordnet wurden. Gefahren entstehen vor allem auch dann, wenn zwei verschiedene Ärzte die kontraindizierten Arzneimittel verordnet haben, und nicht wissen, dass der Patient das jeweils andere Arzneimittel einnimmt. Oft könnt ihr mit diesen Fragen schon klären, ob die Medikation trotz Kontraindikation so gedacht ist und der Patient vom Arzt dahingehend gemonitort wird. Könnt ihr eure Bedenken nicht aufklären, solltet ihr Rücksprache mit der Arztpraxis halten und das Gespräch am besten schriftlich dokumentieren. Hilfreich ist, wenn ihr schon eine Lösung für eine alternative Medikation parat habt, die ihr dem Arzt oder der Ärztin vorschlagen könnt [2, 3].


Rücksprache bei CYP-Interaktionen
Eine kontraindizierte Interaktion, die immer wieder auftritt: Statine und Makrolid-Antibiotika. Antibiotika wie Clarithromycin, Erythromycin und Telithromycin inhibieren das Isoenzym Cytochrom P450 3A4 (CYP3A4). Das führt dazu, dass Cholesterol-Synthese-Hemmer wie Simvastatin, Atorvastatin und Lovastatin nicht mehr ausreichend abgebaut werden. Es kann zu Myopathien kommen, die sich als starke Muskelschmerzen bemerkbar machen. Treten diese auf, besteht die Gefahr einer Rhabdomyolyse, das Zerfallen von Muskelfasern. Diese Komplikation ist potenziell tödlich, weil dabei Myoglobin und Eisen im Häm freigesetzt werden, welche die Tubuli der Nieren zerstören. Es besteht die Gefahr eines akuten Nierenversagens. Es sollte deshalb mit dem Arzt geklärt werden, ob der Patient das Statin für die Zeit der Antibiotikaeinnahme aussetzen kann. Wichtig ist es, den Patienten oder die Patientin in der Beratung nicht zu verunsichern, denn gerade gegenüber Statinen haben viele Patienten eine negative Erwartungshaltung, die die Therapietreue gefährden kann.
Auch orale Azol-Antimykotika (z. B. Fluconazol, Itraconazol, Ketoconazol) sind potente CYP3A4-Inhibitoren. Die gleichzeitige Einnahme von Statinen wie Simvastatin ist mit Azol-Antimykotika ebenso kontraindiziert.
In der Selbstmedikation sollte vor allem bei Johanniskraut mit Blick auf CYP-Interaktionen aufgepasst werden, da die Inhaltsstoffe der Pflanze potente Induktoren von Cytochrom-P450-Isoenzymen sind (CYP3A4, CYP2C9, CYP2C19). So sollten die Präparate beispielsweise nicht mit HIV-Protease-Inhibitoren (die über entsprechende Enzyme verstoffwechselt werden), Ciclosporin oder Amiodaron eingenommen werden. Es besteht auch die Gefahr, dass orale Kontrazeptiva durch die CYP-Induktion schneller abgebaut werden, was zu ungewollten Schwangerschaften führen kann [4, 8, 9].


Zwischen Hyperkaliämie und Hypokaliämie
Eine Kontraindikation, die in Apotheken immer wieder auftritt, ist die Kombination aus Kaliumsalzen und kaliumsparenden Diuretika. Sie birgt das Risiko einer Hyperkaliämie. Muskelschwäche, Parästhesien, Diarrhö und Bradykardie sind Symptome, die dann auftreten können. Im schlimmsten Fall kommt es zum Herzstillstand und plötzlichen Herztod. Kaliumsparende Diuretika (z. B. Amilorid und Triamteren) hemmen den epithelialen Natriumkanal in der Niere. Weniger Natrium wird auf­genommen und die Natrium-Kalium-Pumpe kommt zum Erliegen, sodass Kalium kaum noch ausgeschieden wird. Auch Aldosteron-Antagonisten wie Spironolacton können eine Hyperkaliämie begünstigen. Sie blockieren kompetitiv die Bindung von Aldosteron, welches die Natrium-Rückresorption und die Kalium-Ausscheidung in der Niere fördert. Kaliumsparende Diuretika sollten grundsätzlich nicht mit Kaliumsalzen, Hemmern des Angiotensin-konvertierenden-Enzyms (ACE-Hemmern) oder AT1-Antagonisten angewendet werden (siehe Beispiel Tab. 2). In der Selbstmedikation ist darauf zu achten, dass Patienten keine Kalium-Präparate anwenden, die ACE-Hemmer, Sartane, Renin-Inhibitoren, Angiotensin-Rezeptor-Antagonisten/Neprilysin-Inhibitoren (ARNI) oder kaliumsparende Diuretika einnehmen, wenn der Arzt die Kaliumspiegel nicht überwacht [7, 8, 9, 11, 12].

Der verhängnisvolle Dreier
Der „Triple Whammy“ bezeichnet eine Interaktion, die entstehen kann, wenn ein Diuretikum, ein ACE-Hemmer (oder Sartan) und ein nichtsteroidales Antirheumatikum (NSAR) zusammen eingenommen werden (Beispiel s. Tab. 2). ­Angiotensin II und Prostaglandine erhöhen den Filtrationsdruck in der Niere und halten ihn aufrecht. Die Synthese von Angiotensin II wird durch einen ACE-Hemmer unterbunden. NSAR blockieren die Synthese von Prostaglandinen. Kommt es neben dieser doppelten Blockade zum Volumenmangel durch ein Diuretikum, sinkt die Filtrationsrate in der Niere rapide, bis hin zum akuten Nierenversagen. Die kombinierte Gabe eines ACE-­Hemmers oder Sartans mit einem Schleifendiuretikum kann in der Therapie der Herzinsuffizienz verordnet sein. Deshalb sollte vor allem bei älteren Patienten mit Herzinsuffizienz und/oder Niereninsuffizienz ein NSAR in der Medikation vermieden werden. In der Selbstmedikation kann Paracetamol als alternatives Analgetikum abgegeben werden [4, 8, 9].


Gastrointestinale Blutungen als Ursache für Krankenhauseinweisungen

Gastrointestinale Blutungen gehören zu den häufigsten Gründen für nebenwirkungsbedingte Krankenhauseinweisungen. Das Risiko ist dann erhöht, wenn Antikoagulanzien (z. B. Heparine, direkte orale Antikoagulanzien oder Vitamin-K-Antagonisten) oder Thrombozytenaggregationshemmer (z. B. ASS, Clopidogrel) mit hohen Dosen von NSAR über einen längeren Zeitraum kombiniert werden. Durch kurzzeitige Anwendung eines NSAR und/oder die gleichzeitige Einnahme eines Protonenpumpen-­Inhibitors kann das Risiko minimiert werden. Der Wunsch nach einem NSAR bei multimorbiden, älteren Patienten in der Selbstmedikation sollte immer kritisch hinterfragt werden [5].


QT-Intervall-Verlängerungen
Die Kombination von Klasse-III-Antiarrhythmika (z. B. Amiodaron, Dronedaron oder Sotalol) mit QT-Intervall verlängernden Arzneistoffen wie beispielsweise Citalopram, Ciprofloxacin oder Clarithromycin ist kontraindiziert. Darüber hinaus gibt es viele weitere Arzneimittel, die die QT-Zeit verlängern können. Es muss abgewogen werden, wie hoch das Risiko jeweils ist. Antiarrhythmika der Klasse III sind Kaliumkanalblocker. Der Kaliumausstrom während der Repolarisation wird durch sie verzögert und das Aktionspotential verlängert. Die Dauer des QT-Intervalls steigt. Werden Klasse-III-Antiarrhythmika mit Arzneistoffen kombiniert, die das QT-Intervall zusätzlich verlängern, kann das zu gefährlichen Herzrhythmusstörungen vom Typ Torsade-de-Pointes (TdP) führen. Pharmakokinetische Wechselwirkungen, eine angeborene Verlängerung des QT-Intervalls oder Elektrolytstörungen wie Hypokaliämie und weitere individuelle Faktoren verstärken das Risiko zudem (Beispiel s. Tab. 2) [5, 8, 9].


Betablocker und ihre Tücken
Betablocker senken die Frequenz und Schlagkraft des Herzens und wirken in der Folge blutdrucksenkend. Der Effekt wird durch die Bindung des Arzneistoffs an β1-Adrenorezeptoren und daraus resultierende Verdrängung von Katecholaminen vermittelt. Dieser Mechanismus birgt einige Risiken und Interaktionen. Vor allem nichtselektive Betablocker wie Carvedilol und Propranolol sind anfällig für Wechselwirkungen mit verschiedenen Arzneistoffgruppen wie Antidiabetika, Allergenextrakten sowie β2-Sympathomimetika und Theophyllin. Bei Anwendung von Antidiabetika (z. B. Insuline, Metformin, Sulfonylharnstoffe) besteht ein erhöhtes Hypoglykämie-Risiko, die Adrenalin-vermittelten Warnsignale wie Tachykardie werden unterdrückt. Bei Diabetikern sollten deshalb, wenn notwendig, selektive β1-Blocker eingesetzt und die Patienten zur Symptommaskierung geschult werden (Beispiel siehe Tab. 2).
Kontraindiziert sind Betablocker auch in Kombination mit Calciumkanalblockern vom Nicht-Dihydropyridin-Typ (Diltiazem und Verapamil). Es besteht die Gefahr, dass sich die Wirkungen gegenseitig verstärken und es zum AV-Block kommt, die Erregungsleitung von den Vorhöfen in die Kammern ist dann gestört.
Eine weitere kontraindizierte Interaktion ist die Kombination von Betablockern mit Allergenextrakten. Betablocker hemmen die Wirkung von Adrenalin auf das Herz. Im Ernstfall eines anaphylaktischen Schocks wird die Wirkung der Adrenalin-Gabe vermindert und der mas­sive Blutdruckabfall wird nicht ausreichend kompensiert. In der Vergangenheit kam es bei Patienten, die Betablocker einnahmen, im Zuge einer Hyposensibilisierung vermehrt zu schwer verlaufenden allergischen Reaktionen. Deshalb muss ein Arzt in jedem Fall wissen, ob ein Patient Betablocker einnimmt, wenn er sich hyposensibilisieren möchte [4, 7, 8, 9, 10].

Immunsuppression – erhöhte Infektionsgefahr
Legt ein Patient ein Rezept über z. B. Priorix (Impfstoff gegen Masern-Mumps-Röteln, MMR) vor, muss berücksichtigt werden, dass es sich um einen Lebendimpfstoff handelt. Patienten, die Glucocorticoide oder andere Immunsuppressiva (z. B. Azathioprin oder Ciclosporin, Methotrexat oder Tofacitinib) einnehmen, haben ein erhöhtes Risiko, sich mit den Impfstoff-Erregern zu infizieren. Der Impferfolg ist unsicher, weil die Immunantwort durch die Arzneistoffe supprimiert wird. Die gleichzeitige Gabe von Lebend-Impfstoffen und immunsupprimierenden Medikamenten ist deshalb kontraindiziert. Ein Mindestabstand (in der Regel drei Monate) zwischen Impfung und Arzneimittelgabe sollte eingehalten werden [4, 5].


Nitrate nicht zeitgleich mit PDE-5-Hemmern
Nitrate und PDE-5-Hemmer – auch diese Kontraindikation begegnet einem manchmal in der Apotheke. Leidet ein Patient an einer Angina pectoris, benötigt er oft ein Nitrolingual-Notfallspray, aus dem Glyceroltrinitrat freigesetzt wird. Im Körper wird das Nitrat in Stickstoffmonoxid (NO) überführt. Dieses stimuliert die lösliche Guanylylcyclase und regt dadurch die vermehrte Bildung von cyclischem Guanosinmonophosphat (cGMP) an. Der Anstieg leitet eine Senkung der intrazellulären Calciumkonzentration ein, daraufhin erschlafft die Herz-Muskulatur, Vor- und Nachlast sinken ebenso wie der Sauerstoffbedarf. Der Schmerz lässt nach. Cyclisches Guanosinmonophosphat vermittelt auch die Erschlaffung der glatten Muskulatur in den Schwellkörpern des Penis. Ein Phosphodiesterase-5-Hemmer wie Sildenafil oder Tadalafil verhindert den Abbau von cGMP und verhilft zu einer Erektion. Wird ein cGMP-erhöhendes Nitrat zusammen mit einem den cGMP-Abbau hemmenden Phosphodiesterase-5-Hemmer eingenommen, verstärkt sich die Wirkung, und es kann zur hypotonen Krise kommen. Deshalb darf nach Einnahme von Sildenafil innerhalb von 24 Stunden kein Nitrolingual-Spray angewendet werden. (Beispiel siehe Tab. 2) [4, 8, 9].


Clozapin und Agranulozytose-Risiko
Clozapin und knochenmarksupprimierende Arzneistoffe – hier lauert eine weitere Kontraindikation. Zu den knochenmarksupprimierenden Substanzen zählen beispielsweise Carbamazepin, Metamizol, Penicilline, Sulfonamide und Zytostatika. Gerade Metamizol ist ein häufig verordnetes Schmerzmittel, das das zwar seltene, aber sehr gefährliche Risiko einer Agranulozytose birgt. Da auch unter Clozapin eine Agranulozytose auftreten kann, ist das Risiko bei gleichzeitiger Einnahme additiv erhöht. Als Agranulozytose wird ein nahezu vollständiger Mangel an Granulozyten im Blut bezeichnet. Die Behandlung darf nur dann erfolgen, wenn es keine alternative Lösung gibt und regelmäßige Blutbildkontrollen durchgeführt werden [4, 8, 9].

Literatur
[1] Klassifizierung der Interaktionen anhand der klinischen Relevanz. ABDADatenbank2 Manual 2022, abdadatenbank2-manual-2022.pdf (abdata.de)
[2] ABDADatenbank2. Information der Avoxa Mediengruppe Deutscher Apotheker, abdata.de/produkte/abdadatenbank2/
[3] Jungnickel S. Erkennen und Vermeiden von praxisrelevanten Interaktionen. Projektarbeit Weiterbildung Fachapotheker für Allgemeinpharmazie, Stand: Mai 2013, www.abda.de/fileadmin/user_upload/assets/Weiterbildung/Projektarbeit_Interaktionen_Jungnickel.pdf
[4] Scholz online. Datenbank der Wissenschaftlichen
Verlagsgesellschaft Stuttgart, www.scholzon.de/
[5] Menzel S, Geisslinger G. Wenn Arzneimittel wechselwirken. Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft Stuttgart 2017, 1. Auflage
[6] Preissner SC, Hoffmann MF, Preissner R et al. Polymorphic Cytochrome P450 Enzymes (CYPs) and Their Role in
Personalized Therapy. PLoS One 2013; 8(12), doi: 10.1371/journal.pone.0082562
[7] Maucher IV. Betablocker. Information der Gelben
Liste Online der Vidal MMI, Stand: November 2021,
www.gelbe-liste.de/wirkstoffgruppen/betablocker
[8] Pfister E, Lunzner A. Interaktionstrainer. Deutscher
Apotheker Verlag 2018, 1. Auflage
[9] Fachinformationen der entsprechenden Präparate
[10] Meyer A. Hyposensibilisierung unter Einnahme von Betablockern. Information der HAL Allergie GmbH, Stand: Oktober 2021, www.allergy.de/medien-berichten/artikel/hyposensibilisierung-unter-einnahme-von-betablockern
[11] Reifferscheid E. Kaliumsparende Diuretika. Information der Gelben Liste Online der Vidal MMI, Stand:
April 2022, www.gelbe-liste.de/wirkstoffgruppen/
kaliumsparende-diuretika
[12] Maucher I V. Spironolacton. Information der Gelben Liste Online der Vidal MMI, Stand: Juni 2019, www.gelbe-liste.de/wirkstoffe/Spironolacton_516

Julia Stützle

Julia Stützle hat Pharmazie in Tübingen studiert. Nach Erhalt der Approbation war sie ein Jahr in der öffentlichen Apotheke tätig. Im Februar 2023 begann sie ein Volontariat in der Redaktion der DAZ.