Der Weg zur Qualified Person in der Pharmaindustrie
Um verkauft werden zu dürfen, muss in der Pharmaindustrie jede Arzneimittelpackung über den Schreibtisch einer sogenannten Qualified Person wandern. Qualified Persons sind fast immer approbierte Apotheker:innen. Die Stellen sind heiß begehrt, denn auf sie wartet ein gutes Gehalt – aber auch jede Menge Verantwortung.
Bei Arzneimittelherstellern wird per Gesetz vorgeschrieben, nach welchen Anforderungen bestimmte Positionen im Unternehmen zu besetzen sind. Ein Dreh- und Angelpunkt ist dabei die „Qualified Person“, kurz QP. In Deutschland wird die Position als „Sachkundige Person“ bezeichnet. Was sie ausmacht und was sie kann, ist im Arzneimittelgesetz (AMG) und EU-Recht verankert.
Wenn ein Arzneimittelhersteller eine Charge auf den Markt bringen will, geht das nur mit der Unterschrift der QP. Das bedeutet im Umkehrschluss: In der gesamten Europäischen Union verlässt keine einzige Packung eines Arzneimittels das Lager, die nicht durch eine Qualified Person abgezeichnet wurde.
Wer darf Qualified Person werden?
Nicht jede:r kann zur Qualified Person werden. Sie muss eine entsprechende Qualifikation nachweisen können und dies muss eine Behörde – in Deutschland die Landesbehörde – anerkennen. Prädestiniert dafür sind approbierte Apotheker:innen. Sie bringen viel mit, was man braucht, um QP zu werden.
Wer die Rolle der Qualified Person – oder in Deutschland eben der „Sachkundigen Person“ – vollständig erfassen will, muss die Paragraphen 14, 15 und 19 des Arzneimittelgesetzes (AMG) lesen. Das AMG besagt: Wer ein Arzneimittel in Deutschland herstellen will, muss zwangsweise eine Qualified Person beschäftigen (§ 14 AMG).
Die QP ist letztlich dafür verantwortlich, dass jede einzelne Charge eines Arzneimittels den geltenden Vorschriften entspricht und dies dokumentiert (§ 19 AMG). Dazu muss sie über bestimmte Kenntnisse verfügen, die in § 15 AMG aufgelistet sind, allen voran eine Approbation als Apotheker und eine zweijährige Tätigkeit im Bereich der Arzneimittelanalytik.
Pharmaziestudium (quasi) vorausgesetzt
Erste Erfahrungen können Bewerber sammeln, indem sie sich direkt bei den Firmen bewerben. Doch heute übernehmen immer mehr Personaldienstleister (Zeitarbeits- Firmen) wie z. B. die Firma Gulp, die Rekrutierung von Bewerbern über Job-Plattformen wie Xing oder LinkedIn – insbesondere für große Pharma-Firmen. Wer auf diese Art angestellt wird, schließt seinen Arbeitsvertrag mit den Personaldienstleistern, arbeitet aber vor Ort bei Firmen wie Pfizer oder Bayer. Nicht selten erhalten so Angestellte bald ein Angebot der Unternehmen, in denen sie arbeiten, direkt einen Vertrag bei ihnen zu schließen.
Wer die Approbation nicht hat, aber z. B. Chemie oder Biologie studiert hat, kann trotzdem QP werden. Die dazu nötigen Kenntnisse sind im Gesetz aufgelistet und sie beschreiben praktisch alles, was man im Pharmaziestudium lernt. Das auf ein abgeschlossenes Chemie- oder Biologiestudium draufzusatteln, kommt für die wenigsten in Frage.
Daher ist praktisch jede Qualified Person mit einer Approbation als Apotheker:in ausgestattet. Außerdem muss eine QP eine zweijährige Berufserfahrung aufweisen. Diese sammeln Bewerber häufig im Betrieb, die sie später als QP einsetzen. Für Betriebe, die speziellere Produkte wie Impfstoffe oder Blutzubereitungen herstellen, muss eine QP noch strengere Vorgaben erfüllen, die auf den jeweiligen Bereich zugeschnitten sind.
Gutes Gehalt und viel Papierkram
Die besonderen Anforderungen machen QPs zu seltenen und damit begehrten Mitarbeitern. Das schlägt sich nicht zuletzt auch im Gehalt nieder: Sechsstellige Jahresgehälter sind je nach Erfahrung, der Unternehmensgröße und Region durchaus üblich.
Im Alltag der QP dreht sich alles darum, eine entscheidende Unterschrift aufs Papier zu bringen: Die Freigabe einer Arzneimittel-Charge. Das geschieht in der Praxis durch eine einfache Unterschrift oder einen Klick am Computer. Aber bis es dazu kommt, muss die QP alles in ihrer Macht stehende getan haben, um sicherzustellen, dass diese Freigabe gerechtfertigt ist: Analyse-Ergebnisse, Herstellungsprotokolle, Berichte zu eingesetzten Ausgangsstoffen und Materialien – Dokumente aus allen Teilen des Unternehmens landen auf dem Schreibtisch. Nur wenn alles den hohen Qualitätsstandards entspricht, die für Arzneimittel gelten, gibt die QP die Charge frei.
Arzneimittel gehören zu den am besten kontrollierten Produkten, denen wir im Alltag begegnen. Denn sie können viel Gutes bewirken, aber auch sehr viel Schaden anrichten. Hinter ihrer Herstellung steckt ein ausgefeiltes System, die „Good Manufacturing Practice“ (GMP), welche eine durchgehend hohe Qualität garantiert.
Als Leitfaden dienen die Regeln der GMP und die Zulassungsunterlagen des jeweiligen Arzneimittels, in denen die genauen Vorgaben und Grenzwerte angegeben sind: Welchen Wirkstoffgehalt muss das Produkt haben, wieviel Abweichung ist erlaubt, welche Packmittel werden eingesetzt – all das ist festgeschrieben und wird im Idealfall genau eingehalten.
In der Realität kommt es aber immer wieder zu Problemen und Abweichungen bei der Herstellung, sodass einzelne Werte nicht im Erwartungsbereich liegen. Wurde die Abweichung allerdings umfassend untersucht und bewertet, kann die Charge dennoch freigegeben werden. Natürlich vorausgesetzt, das eine Patientengefährdung ausgeschlossen ist und die Qualität des Arzneimittels dennoch garantiert werden kann.
Davon muss sich die QP aber überzeugen, z.B. durch Gespräche mit den beteiligten Personen wie dem Leitenden der Herstellung, durch Protokolle, Tests und Laborberichte. In einzelnen Fällen ist nötig, mit der zuständigen Arzneimittelbehörde zu sprechen. Dieser legt die QP dann dar, wie und warum sie sich entschieden hat, bestimmte Arzneimittelchargen freizugeben oder nicht.
Arbeit zum Wohl der Patienten
Bei all dem liegt es nahe zu denken: Wenn der Arzneimittel-Hersteller eine QP beschäftigt und diese QP bezahlt – steht die QP nicht unter Druck, im Zweifel Fünfe gerade sein zu lassen und niemanden zu informieren? Dafür hat der Gesetzgeber vorgesorgt und ein besonderes Konstrukt geschaffen. Denn eine QP ist nicht dem Arzneimittel-Hersteller verpflichtet.
Wenn eine Charge das Warenlager des Herstellers verlässt, nachdem die QP diese freigegeben hat und jemand durch diese Charge zu Schaden kommen sollte, dann bekommt nicht nur der Hersteller selbst großen Ärger. Auch die Sachkundige Person haftet persönlich. Daher spielen finanzielle Aspekte für die Qualified Person praktisch keine Rolle. Im Mittelpunkt stehen die Qualität des Arzneimittels und das Patientenwohl.
Selbst wenn eine Charge nicht zu einhundert Prozent den Vorschriften entspricht kann die QP abwägen: Stellt die Abweichung wirklich eine Gefährdung dar? Oder wäre es nicht sogar unverantwortlich, eine Charge mit bspw. nur einem kosmetischen Fehler zu vernichten, wenn Patienten auf das Medikament nun einmal angewiesen sind? Durchaus komplizierte Fragestellungen, die letztlich nur von der QP durch die Unterschrift – oder das Ausbleiben derselben – beantwortet werden können.
All das macht die Stelle als Qualified Person aber auch attraktiv. Im Herstellbetrieb ist die QP geschätzt und respektiert, schließlich hängt alles von ihrer Unterschrift ab. Keine wichtige Entscheidung wird getroffen, ohne dass die QP am Tisch sitzt. Die große Verantwortung macht die QP zu einer geschätzten Person im Betrieb, die aktiv und direkt die hohe Qualität von Arzneimitteln und damit die Gesundheit vieler Menschen sicherstellt.