Parteien fordern legale Abgabe in Fachgeschäften
Während der Bundestagswahl werben viele Parteien damit, Cannabis zu legalisieren. Dabei bringen sie auch Apotheken als mögliche Abgabestellen ins Spiel. Erfahrungen aus anderen Ländern zeigen: Die Cannabis-Abgabe in Apotheken könnte Nachteile, aber auch Vorteile mit sich bringen.
„Nur weil Alkohol gefährlich ist, ist Cannabis kein Brokkoli.“ Mit diesem Satz wurde Daniela Ludwig (CSU), seit 2017 Drogenbeauftragte der Bundesregierung, unfreiwillig zum YouTube-Star. Was sie sagen wollte: Eine Legalisierung wird es mit ihrer Partei nicht geben. „Wer legalisiert, […] entzieht sich seiner Verantwortung und lässt Betroffene sowie ihre Angehörigen mit den Problemen allein“, schreibt auch die Schwesterpartei CDU in ihr Wahlprogramm.
Andere Parteien sind vom Gegenteil überzeugt. „Das derzeitige Verbot von Cannabis verursacht mehr Probleme, als es löst“, führen die Grünen in ihrem Programm auf. Nach Ansicht der FDP kriminalisiert das Verbot „unzählige Menschen, bindet immense Polizeiressourcen und erleichtert durch illegalen Kontakt zu Dealern den Einstieg zu härteren Drogen“.
Daher setzen sich beide Parteien dafür ein, Marihuana in lizenzierten Fachgeschäften abzugeben: Versteuert, qualitativ hochwertig und gesetzlich geregelt. Auch die SPD teilt diese Meinung und will den Ansatz in Modellprojekten erproben. Erst Mitte September sagte der stellvertretende SPD-Vorsitzende Kevin Kühnert im Podcast „In Your Face“ vom Redaktionsnetzwerk Deutschland: Die deutsche Cannabis-Verbotspolitik sei gescheitert. Daher soll Apothekenpersonal die Blüten kontrolliert abgeben dürfen – und zwar an Volljährige nach vorheriger Alterskontrolle.
Erfahrungen aus anderen Ländern gemischt
Im südamerikanischen Staat Uruguay ist Cannabis seit 2013 legal. Viele Konsumenten kaufen ihr „Gras“ in Apotheken. Nicht jeder hält diesen Vertriebsweg für geeignet. Im Interview mit der „taz“ erklärt die uruguayische Ärztin Dr. Raquel Peyraube: Cannabis in der Apotheke zu Genusszwecken zu verkaufen, sei so, als würde man dort Wein und Tabak anbieten. Besser seien spezialisierte Shops, die ihre Kunden psychosozial betreuen.
Auch in der Schweiz werden Apotheken ab 2022 Cannabis legal im Rahmen von Modellprojekten abgeben. Die Bezugsmenge pro Kauf und pro Monat ist beschränkt, ebenso der maximal zulässige Gehalt am psychoaktiven Inhaltsstoff Tetrahydrocannabinol (THC). Für Valeria Dora, Präsidentin des Apothekennetzes Zürich, sind Apotheken für diesen Job geeignet. Gegenüber der „Neuen Züricher Zeitung“ unterstreicht sie: Nur Apotheken sind in der Lage, dafür zu sorgen, dass Kunden Cannabis in „pharmazeutischer Qualität“ erhalten. Die Droge müsse als Arzneimittel eingestuft werden, denn so wären Inhaltsstoffe auf dem Beipackzettel klar zu deklarieren. Auch wird dadurch Werbung automatisch verboten. Außerdem sei das Personal fachlich hoch qualifiziert, um etwa „problematischen Konsum“ zu erkennen und einzudämmen. Wichtig seien vorab Schulungen und Weiterbildungen für Apotheker:innen, so die Pharmazeutin Dora.
Deutsche Apotheken kennen sich mit Cannabis aus
In Deutschland versorgen bereits viele Apotheken Patienten mit medizinischem Cannabis, wenn es eine Ärztin bei einer bestimmten Diagnose verordnet hat. Infrage kommt es z. B. bei Übelkeit und Erbrechen während der Chemotherapie, Angst- und Schlafstörungen oder beim Tourette-Syndrom. Noch unterliegen die Blüten dem Betäubungsmittelgesetz. Die Dokumentation beim Umgang mit ihnen ist aufwendig, die Lagerung nur in Tresoren zulässig.
Wenn die frische Bundesregierung eine neue Drogenbeauftragte ernennt, könnte die Frage wieder aufflammen, ob die Kriminalisierung des „Kiffens“ der richtige Weg sei. Derzeit stimmt die Apotheker-Spitzenorganisation (ABDA) intern ab, wie sie sich zur legalen Abgabe in der Apotheke positionieren möchte. In einem Punkt werden die Apotheker:innen dieses Landes mit der Drogenbeauftragten Daniela Ludwig übereinstimmen: Brokkoli ist Cannabis nicht.