Patienten bekommen Arzneimittel verordnet, holen diese in der Apotheke ab, werden dazu beraten, nehmen sie ein, und im Idealfall geht es ihnen dann besser. Nun ist dieser gesamte Prozess doch nicht so einfach wie hier beschrieben und Patienten können durch Fehler zu Schaden kommen. Mit diesem umfangreichen Thema befasst sich der neuartige Studiengang „Arzneimitteltherapiesicherheit“ (AMTS), der auch Apothekern offensteht.
Arzneimittel sind klinisch geprüft und können damit sicher in der vorgesehenen Indikation angewendet werden. Allerdings zeigt eine Studie aus dem Jahr 2018: Unerwünschte Arzneimittelwirkungen (UAW) verursachen im Durchschnitt 6,5% der Fälle in Notaufnahmen [1]. Wie kann das sein? Natürlich können Nebenwirkungen auch bei bestimmungsgemäßem Gebrauch auftreten, doch gerade Medikationsfehler können dazu führen, dass Patienten hospitalisiert werden [2]. Daraus ergibt sich: Ganz so simpel ist es nicht, die Arzneimitteltherapie eines Patienten sicher zu gestalten.
Medikation ist ein zyklischer Prozess
Die Medikation ist ein zyklischer Prozess und lässt sich grob in die Schritte Therapieentscheidung, Verordnung, Abgabe, Verabreichung und Monitoring unterteilen. Am Ende fängt man wieder von vorne an, indem die Therapie weiter an die Bedürfnisse des Patienten angepasst wird. Der ganze Prozess lässt sich weiter ausdifferenzieren, und in jedem Teilschritt können verschiedenste Fehler passieren. So kann das Arzneimittel irrtümlich abgegeben, angewendet oder bei der Therapieentscheidung falsch ausgesucht werden. Für solche Fehler gibt es vielfältige Gründe und Umstände, die zusammenwirken. Schließlich wird der Patient geschädigt. Durch Qualitätsmanagement versuchen Apotheker, Fehler zu vermeiden, genauso wie andere Beteiligte im Gesundheitssystem auch. Doch die Abläufe sind sehr komplex und laufen nicht immer reibungslos.
Module des Studiengangs
An dieser Stelle setzt der Masterstudiengang „Arzneimitteltherapiesicherheit“ an: Wie ist eigentlich unser Gesundheitssystem aufgebaut? Wer hat im System welche Aufgabe? Welche Fehler können an welcher Stelle passieren? Was gäbe es für Maßnahmen, um Fehler zu reduzieren? Wie werden Patienten am besten in ihre Therapie eingebunden? Um diese und viele weitere Fragen beantworten zu können, werden in den verschiedenen Modulen des Studiengangs unterschiedliche Aspekte betrachtet, welche die Arzneimitteltherapiesicherheit beeinflussen. Grundlegend ist natürlich ein Fachwissen zur Arzneimitteltherapie (da man das als Apotheker aus seinem Studium mitbringt, kann man sich das entsprechende Modul anrechnen lassen).
– Im Modul „Grundlagen und Systeme“ wird erarbeitet, was Formen von Medikationsfehlern sind, wie sie passieren können und wie mit ihnen umgegangen werden kann. Hinzu kommt ein Blick auf das Gesundheitssystem und die Rollen verschiedener Akteure darin.
– Im Modul „Wissenschaftliche Methoden“ lernt man, wie Studien zu Arzneimitteln und Arzneimitteltherapien durchgeführt werden. Daran schließt sich an, wie verschiedene Studien wissenschaftlich weiter aufgearbeitet werden, um daraus Evidenz für Arzneimitteltherapien zu generieren. In dem Zuge lernt man auch, wie man wissenschaftliche Arbeiten liest, einordnet und selbst erstellen würde.
– Das Modul „Patientenzentrierung“ stellt den Patienten in den Fokus. Es wird betrachtet, wie eine Therapie aus der Perspektive des Patienten aussieht und welche Faktoren für ihn eine Rolle spielen. Man lernt Patienten anhand psychologischer Modelle einzuordnen, um ihre Motivation zu verstehen.
Daran schließt das Modul „Kommunikation“ an, in dem man unter anderem lernt, wie man motivierende Gespräche mit Patienten führt. Außerdem lernt man Methoden für eine bessere interprofessionelle Kommunikation.
Im Modul „AMTS-Maßnahmen“ geht es neben konkreten Methoden zur Verbesserung der Arzneimitteltherapiesicherheit auch um Aspekte von Sicherheitskultur und Analysemethoden von AMTS-Problemen.
– Wie am Ende verschiedene evidenzbasierte Methoden ihren Weg in die Praxis finden können, betrachtet das Modul „Translation“.
Einblicke in Praktika runden Studium ab
Zu den genannten Pflichtmodulen kommen mehrere Wahlmöglichkeiten dazu. In verschiedenen Praktika können Eindrücke von anderen Berufsgruppen gesammelt werden, beispielsweise aus der Pflege, Krankenhäusern oder Arztpraxen. Dabei bietet das Studium viele Möglichkeiten, die Themen für sich und seine eigene Arbeit zu individualisieren. In allen Aspekten des Studiums gilt dabei ein Berufsgruppen übergreifender Ansatz. Es kommen Dozenten aus verschiedenen Heilberufen zu Wort, und auch im Austausch mit Kommilitonen lernt man viel Neues. Ich selbst habe bisher ein Praktikum bei einem ambulanten Pflegedienst gemacht und darin neben Einblicken in die Arbeit der Pflegekräfte gesehen, wie Patienten ihre Arzneimitteltherapie zu Hause selbst gestalten. Im Augenblick lerne ich im Rahmen eines Praktikums bei der Deutschen Apotheker Zeitung, wie man Themen zu Artikeln aufarbeitet und so zu Aspekten von Arzneimitteltherapiesicherheit informieren kann. Das Studium macht mir bisher viel Spaß, und ich konnte sehr viel praxisrelevantes Wissen dazugewinnen. Ich empfehle jedem, dem ich etwas Lust auf das Studium
gemacht habe, sich näher dazu auf der Internetseite des Studiengangs zu informieren.
Studiengang Arzneimitteltherapiesicherheit Der Masterstudiengang „Arzneimitteltherapiesicherheit“ findet berufsbegleitend statt und steht allen offen, die einen Hochschulabschluss mit Bezug zur Arzneimitteltherapie haben, wie Ärzten, Pflegefachpersonen oder auch Apothekern. Eine Kooperation der Universitäten Bonn, Heidelberg und Tübingen bietet den Studiengang an. Neben Lernformaten, die im Selbststudium von zu Hause aus erarbeitet werden können, gibt es über die Semester verteilte Präsenzveranstaltungen an den verschiedenen Universitäten. Hinzu kommen Praktika, die Einblicke in die Arbeit anderer Berufsgruppen geben. Der Studiengang ist auf vier Semester angelegt, lässt sich aber individuell strecken. Wer sich nur für einzelne Aspekte interessiert oder einfach mal reinschnuppern möchte, kann auch einzelne Kurse belegen. Weitere Informationen finden sich auf der Internetseite. |
Literatur:
[1] Schurig AM, Bohme M, Just KS et al. Adverse Drug Reactions (ADR) and Emergencies. Dtsch Arztebl Int 2018;115: 251-258.
[2] Patel P, Zed PJ. Drug-related visits to the emergency
department: how big is the problem? Pharmacotherapy. 2002 Jul;22( 7):915-23. doi: 10.1592/phco.22.11.915.33630. PMID: 12126224.