Seit dem ersten Lockdown ist digitale Lehre real. was bedeutet das für uns?
Um die SARS-CoV-19-Pandemie einzudämmen, verhängte die Bundesregierung im März 2020 den Lockdown. Schnell war klar: jetzt wird zuhause studiert. Während Dozenten mit Hochdruck daran arbeiteten, die Lehre in digitaler Form umzusetzen, fühlten sich Studierende verunsichert. Anfangs wusste niemand, wie das Semester stattfinden würde und wie Prüfungen und Praktika rechtzeitig abgeschlossen werden könnten. Viele waren dankbar, dass das Studiengangsmanagement regelmäßig Newsletter an die Semester verschickte. Mit einem Mal waren Studierende wie noch nie zuvor gefordert, eigenverantwortlich zu arbeiten und sich zu organisieren.
Was für die einen zur Herausforderung wurde, sahen andere als Chance, selbstbestimmt zu arbeiten. Andererseits fehlte vielen schlichtweg die soziale Komponente, die ein Studium ausmacht. Da man sich mit Kommilitonen weniger austauschen konnte, sank bei einigen die Lebensfreude und Motivation, beim Lernen dranzubleiben. An allen Studienstandorten konnte die Lehre durch digitale Angebote ersetzt werden, was auf überwiegend positive Resonanz stieß. Vorlesungen und Seminare wurden online angeboten. Meistens konnten die Aufzeichnungen auf Plattformen der Universitäten hochgeladen werden, um sie später noch einmal ansehen zu können. Allerdings verhinderten teilweise die Serverleistungen der Hochschulen, dass alle Vorlesungen als Stream zur Verfügung gestellt werden konnten.
Schwieriger als die Digitalisierung der Vorlesungen erwies sich im Sommersemester 2020 die Umsetzung der Laborpraktika. Diese wurden stark verkürzt in Kleingruppen unter strengen Hygienemaßnahmen organisiert oder als Videos angeboten. Wurden die Praktika durch Videos ersetzt, mussten diese oft ausgewertet und protokolliert werden. am 3. Juli 2020 veröffentlichte das Bundesgesundheitsministerium (BMG) eine Verordnung über flexiblere Lösungen bei Approbationsordnungen für Ärzte, Zahnärzte und Apotheker in Zeiten der Pandemie. So können Pharmaziestudierende Famulaturen auch während der Vorlesungszeit ableisten, wenn die Universitäten den Lehrbetrieb für Infektionsschutzmaßnahmen einstellen mussten. Auch der Ablauf der Prüfungen zum 2. Staatsexamen wurde erleichtert. Künftig dürfen zwischen den Prüfungen auch mehr als die bisher möglichen acht Tage liegen. Im vergangenen Semester wurden Prüfungen oft als Präsenzveranstaltungen mit den nötigen Hygienemaßnahmen abgehalten. Mitunter konnten mündliche Prüfungen und sogar Staatsexamina aber auch über Online-Konferenzen abgelegt werden.
Wie geht es weiter?
Weil es die Lage erforderte, mussten die Universitäten in kurzer Zeit ihre Lehre auf völlig neue Weise vermitteln. Doch was passiert, wenn die Pandemie irgendwann „vorbei“ sein sollte? Wird alles wieder so sein wie vor Corona? Wohl eher nicht. Viele Dozenten haben gesehen, welche Vor- und Nachteile die Online-Lehre mit sich bringen kann. Gleichzeitig sahen wir, dass wir Präsenz brauchen, um technische Fähigkeiten im Labor zu lernen, trockene Theorie in der Praxis zu sehen oder um schwierige Sachverhalte in der Gruppe zu erörtern. Professor Dr. Alexander Tillmann war an der Umsetzung der Online-Lehre an der Goethe-Universität Frankfurt am Main beteiligt. Er hat eine Idee davon, wie eine optimale Lehre in Zukunft aussehen könnte. In den Maßnahmen, die im Sommersemester 2020 ergriffen werden mussten, sieht er Vorteile, die weit über den Infektionsschutz hinausgehen. Wer neben dem Studium z. B. Kinder betreuen muss, würde von Lehrveranstaltungen profitieren, die über Streaming-Dienste jederzeit abgerufen werden können. „Auch Teilzeitstudierenden, die bereits im Beruf stehen und ihre Erfahrungen an der Universität teilen, kommt eine zeitliche und räumliche Flexibilisierung natürlich entgegen“. Seiner Meinung nach würde die Qualität der Lehre große Fortschritte machen, wenn man Online-Angebote und Präsenzveranstaltungen gezielter aufeinander abstimmen könnte.
Um das Studium nachhaltig zu erneuern, müssen Konzepte neu erarbeitet und evaluiert werden. Tillmann ergänzt: „Die Zeit in Präsenz könnte qualitativ anders genutzt werden, indem Inhaltsvermittlung stark reduziert und stattdessen Diskussion, Reflexion und Austausch in den Vordergrund gerückt würden – wenn beispielsweise Input-Teile in Onlinephasen erarbeitet werden, dazu Fragen gesammelt, strukturiert und so Diskussionen in Präsenz vorbereitet und fundierter geführt werden könnten. Im Idealfall sind vor Allem die Studierenden selbst aktiv, vernetzen sich untereinander. Online-Kollaboration fördert so den seminarbegleitenden Austausch.“