Welche Berufe stehen Pharmazeuten offen?

An der Universität Heidelberg gibt es ein besonderes Seminar. Es ist freiwillig und findet abends statt, trotzdem wird es gut besucht. Denn in „Berufsfelder der Pharmazie“ können sich die Studierenden bereits ab dem ersten Semester über ihre zukünftigen Berufsmöglichkeiten informieren. In fünf bis sechs Terminen pro Semester berichten Apotheker:innen aus verschiedenen Bereichen über ihren Berufsalltag und beantworten die Fragen der Studierenden. Der akademische Rat Dr. Cornelius Domhan und JunProf. Dr. Philipp Uhl haben das Seminar ins Leben gerufen und organisierten die Veranstaltung im Sommersemester 2024 nun schon zum zweiten Mal. Im Gespräch mit der UniDAZ erzählen sie mehr zu der Veranstaltung.

Von links: JunProf. Dr. Philipp Uhl und Dr. Cornelius Domhan

UniDAZ: Ein zusätzliches, freiwilliges Seminar anzubieten und zu organisieren, ist sicher mit viel Zeit und Arbeitsaufwand verbunden. Was war Ihre Motivation, das Seminar „Berufsfelder der Pharmazie“ zu initiieren?
Domhan: Das Pharmaziestudium ist stark wissenschaftlich geprägt. Nach dem zweiten Staatsexamen beginnt das praktische Jahr (PJ). Allerdings wissen Studierende oft nicht, was sie eigentlich machen wollen und was sie in den Berufen erwartet. Wir wollen sie dabei unterstützen herauszufinden, in welche Richtung sie gehen möchten, wenn sie die Uni verlassen. Die Brücke bilden zwischen Theorie und Praxis, das, finde ich, gehört auch zur Ausbildung dazu. Denn die Berufsmöglichkeiten von Apo­theker:innen sind enorm vielfältig. Die Studierenden kennen die Offizinapotheke aus der Zeit in der Famulatur, die Krankenhausapotheke und die Industrie. Aber allein diese ist enorm breit aufgestellt – von der Zulassung bis hin zur Qualitätskontrolle, gibt es viele ver­schiedene Bereiche. Und darüber hinaus stehen den Studierenden noch viele weitere Berufsfelder offen, die sie nicht unbedingt kennen. Wir wollen ihnen die Möglichkeit geben, mehr über diese Berufe zu erfahren und auch über Wege, wie jemand in eine interessante Position gelangt ist.
Uhl: Wir wissen das zum einen aus eigener Erfahrung und haben andererseits auch einige Studierende gesehen, die nicht wussten, wo sie ihr praktisches Jahr verbringen wollen. Manchmal haben sie dann einfach das gewählt, was ihnen vor die Füße gefallen ist. Das ist eine vertane Chance, schließlich kann man bereits im praktischen Jahr die Weichen für den späteren beruflichen Werdegang stellen.

UniDAZ: Wie suchen Sie die Dozenten für die Vortragsreihe aus bzw. wie entscheiden Sie, welche Berufe für die Studierenden interessant sein könnten?
Uhl: Zum einen wissen wir mit dem Abstand zu unserem Studium aus eigener Erfahrung, über welche Berufe es sich gelohnt hätte, damals selbst mehr zu erfahren. Zum anderen stehen wir im Austausch mit der Fachschaft und versuchen, Wünsche von Studierenden umzusetzen.
Domhan: Von den Studierenden kommen manchmal Ideen auf, an die wir gar nicht gedacht haben. Zum Beispiel wünschten sie sich, mehr von einer Apothekerin oder einem Apotheker zu erfahren, die oder der eine deutsche Approbation hat, aber im Ausland arbeitet. Auch gab es den Wunsch zu erfahren, wie Apotheker:innen bei der Bundeswehr arbeiten oder bei der Krankenkasse.

UniDAZ: Über welche Berufe wurde beispielsweise bereits berichtet?
Domhan: Bisher hatten wir Vertreter aus der Industrie (aus der Arzneimittelproduktion und aus dem Vorstand einer Pharmafirma), einen Patentanwalt, jemanden aus einer Krankenhausapotheke, der in Richtung klinische Pharmazie arbeitet, Apotheker:innen aus Fachverlagen und jemanden von der Landesapothekerkammer – das war übrigens das am besten besuchte Seminar.

UniDAZ: Warum?
Domhan: Ich denke, das hat mit dem PJ zu tun. Die Studierenden wollen sich informieren, was auf sie zukommt. Im Studium gibt es noch die Semestersprecher, die viel organisieren. Im praktischen Jahr wird die „Bubble“ dann kleiner, und die Studierenden müssen vieles selbst in die Hand nehmen.

UniDAZ: Glauben Sie, die Studierenden werden durch die Veranstaltung inspiriert und stoßen auf neue Berufe?
Uhl: Auf jeden Fall. Es kommen auch nicht immer die gleichen Studierenden. Jeder kann für sich entscheiden, ob ihn ein Seminar zu einem bestimmten Beruf interessiert und ob er daran teilnehmen möchte. Das Schöne
an dem Format ist, dass es für alle Semester offen und freiwillig ist. Man merkt anhand der aktiven Beteiligung der Studierenden, dass sie sich wirklich für die Berufe interessieren. Auch ergeben sich direkte Kontakte. Als beispielsweise Vortragende aus der Industrie da waren, wurde direkt abgeklärt, wie man sich am besten für einen Platz im praktischen Jahr bewirbt.

UniDAZ: Gab es einen Beruf, den auch Sie besonders spannend fanden? Was hat Sie überrascht?
Uhl: Persönlich fand ich das Verlagswesen sehr spannend. Wir schreiben auch Buchkapitel und wissenschaftliche Manuskripte. Aber wie komplex der Prozess bis zum fertigen Buch ist und wie viele Personen letztendlich daran beteiligt sind, denke ich, unterschätzt man. Das wäre ein Feld, das mich auch interessiert hätte.
Domhan: Mich hat überrascht, wie sehr sich die Unternehmenskultur verändert hat. Vor zehn Jahren war das meiner Erfahrung nach noch anders. Heute sind die Hierarchien flach, man ist per Du, und es wird mehr
auf weiche Faktoren geachtet, die ein Unternehmen für Arbeitnehmer attraktiver machen, um Mitarbeiter zu halten und neue zu finden.

UniDAZ: Was haben Sie für die Zukunft der Veranstaltung geplant?
Uhl: Zukünftig soll die Veranstaltung einmal im Jahr zum Sommersemester stattfinden – abwechselnd zu unserem „Journal Club“, ein weiteres freiwilliges Seminar, dass wir für die Studierenden organisieren und in dem sie lernen, sich mit wissenschaftlichen Publikationen auseinanderzusetzen. Wir möchten für die kommende Veranstaltung Dozenten für die Berufe einladen, die sich die Studierenden gewünscht haben. Daneben haben wir auch noch die ein oder andere eigene Idee.

UniDAZ: Vielen Dank für das Gespräch!

Und was denken Studierende über das Seminar?
Die Pharmaziestudentinnen Johanna Häfflinger und Anna Finster berichten:

Betrachtet man den enormen fachlichen Umfang und die Vielfalt der Veranstaltungen, die Pharmaziestudierende bereits im Grundstudium bis zum 1. Staatsexamen besuchen und absolvieren müssen, wird bereits deutlich, dass Pharmaziestudierende sich im Optimalfall für viele verschiedene Themen begeistern können und in zahlreichen Fachgebieten ausgebildet werden.
Diese Vielfalt spiegelt sich auch in den Beschäftigungsmöglichkeiten für Pharmazeuten und Apotheker nach dem Studium wider. Von der Betreuung klinischer Studien über die pharmazeutische Industrie bis hin zur Arbeit als Autor für Fachzeitschriften oder bei Fachverlagen – es ist sehr viel möglich. Vieles davon ist uns insbesondere in niedrigeren Fachsemestern noch nicht so richtig bewusst. Da existieren vor allem drei Kategorien: die öffentliche Apotheke, die Krankenhausapotheke und die Industrie. Aber was sind denn die typischen Tätigkeiten in einer Krankenhausapotheke? Und was kann man sich unter „der Industrie“ genau vorstellen? Um uns Studierenden diese Fragen zu beantworten und die Vielfalt des Berufs im Rahmen des Studienalltags näherzubringen, riefen Dr. Cornelius Domhan und JunProf. Philip Uhl im Sommersemester 2023 erstmals die Vortragsreihe „Berufsfelder der Pharmazie“ ins Leben – und trafen damit umgehend auf große Resonanz in der Studierendenschaft.
Aufgrund der Tatsache, dass der Stundenplan des Faches Pharmazie nur sehr begrenzte zeitliche Lücken aufweist, liegt der übliche Termin, an dem die Vorträge stattfinden, abends um 18.15 Uhr, sodass auch Studierende der Semester, welche gerade ein Laborpraktikum absolvieren, an den Vorträgen teilhaben können. Nicht selten kommt es also vor, dass gestresste Gesichter kurz vor Vortragsbeginn direkt vom Roti oder dem Mikroskop in den Hörsaal geflitzt kommen – was definitiv für die Bedeutung und den Zuspruch des Seminars spricht.
Die große Vielfalt der vorgestellten Berufe macht das Angebot attraktiv und zieht immer wieder neue Interessierte an. Unter anderem werden die klassischen Berufsbilder vorgestellt, so etwa der Berufsalltag in einer öffentlichen Apotheke oder das Arbeitsleben als Apotheker in den klassischen Abteilungen wie Zulassung oder Herstellung in Pharmaunternehmen. Daneben bietet die Vortragsreihe auch Raum für eher unübliche oder weniger bekannte Berufsfelder. Hier blieb uns vor allem der Vortrag über die Arbeit beim Deutschen Apotheker Verlag in Erinnerung, der zeigte, dass das Fachpublikum nur von gewonnenen Erkenntnissen profitieren kann, wenn diese ansprechend und verständlich aufbereitet sind und in entsprechendem Rahmen zur Verfügung gestellt werden.
Besonders positiv nehmen wir Studierende wahr, dass wir den Dozierenden, die Einblick in ihren Berufsalltag geben, auch direkt Fragen zu bestimmten Berufsfeldern stellen können. Diese wären innerhalb des sonstigen Umfeldes der Universität unbeantwortet geblieben. Darüber hinaus bieten die Vorträge einen ersten Kontakt zu verschiedenen Firmen, was es leichter machen kann, persönliche Vorstellungen und Erwartungen mit denen eines potenziellen Arbeitgebers abzugleichen.
Durch die Veranstaltungen wird den Studierenden vermittelt, dass das Arbeitsleben den Absolventen des Pharmaziestudiums mehr als die öffentliche Apotheke bereithält. Die Ein­blicke können auch bei der persönlichen Entscheidung für das spätere Berufslebens helfen. Es werden Chancen und Alternativen aufgezeigt, die Studierenden helfen können, sich die große Frage „Was kommt nach dem Studium?“ zu beantworten. Wir empfinden das Seminar daher als sehr gewinnbringend für uns Studierende und freuen uns auf wei­tere spannende Vorträge. Am Ende unseres Beitrages möchten wir andere Universitäten ermutigen, ähnliche Programme zu konzipieren, um auch den Pharmaziestudierenden dort die Möglichkeiten nach dem Studium aufzuzeigen.

Anna Finster

Pharmaziestudentin

Johanna Häfflinger

Pharmaziestudentin

Julia Stützle

Julia Stützle hat Pharmazie in Tübingen studiert. Nach Erhalt der Approbation war sie ein Jahr in der öffentlichen Apotheke tätig. Im Februar 2023 begann sie ein Volontariat in der Redaktion der DAZ.