Praxisorientierter Umgang mit klinisch relevanten Interaktionen
Interaktionen sind aus dem Apothekenalltag nicht wegzudenken. Täglich werden wir mit den bunt blinkenden Buttons oder Pop-up Fenstern konfrontiert und müssen dabei aufpassen, dass uns die Gesichtszüge nicht entgleisen. Denn: wirken wir aufgrund einer roten Interaktionsmeldung verunsichert, färbt dies auf die Patient:innen ab und kann zur Non-Adhärenz führen.
Der sichere Umgang im Interaktionsmanagement ist fundamental im Alltag als Apotheker:in. Die steigende Inzidenz pharmakokinetischer oder pharmakodynamischer Interaktionen mit jedem weiteren Arzneimittel führt zu einem erhöhten Risiko für verstärkt auftretende unerwünschte Arzneimittelwirkungen (UAW), die im schlimmsten Fall tödlich enden können [1, 2].
Aber sind die angezeigten Warnhinweise für alle Patient:innen relevant? Nein. Individualität ist auch bei der Beurteilung von Interaktionsmeldungen von zentraler Bedeutung– und die individuelle Betrachtung und Beratung hebt unsere Arbeit in der öffentlichen Apotheke vom Arzneimittelversandhandel ab. Wie also vorgehen?
Wie definieren wir Interaktionen?
Um zu verstehen, wie wir optimal mit Interaktionen umgehen, müssen wir verstehen, was Interaktionen eigentlich sind. Allgemein wird zwischen pharmakokinetischen und -dynamischen Interaktionen unterschieden. Erstere beziehen sich auf Mechanismen, die sich auf die Absorptions-, Distributions-, Metabolismus- und Exkretionsprozesse auswirken (s. Abb. 1). Die uns am häufigsten begegnenden Interaktionen dieser Art finden sich im Bereich des Metabolismus und der Exkretion. Zweitere beschreiben, inwieweit eine pharmakologische Wirkung, egal ob erwünscht oder unerwünscht, verstärkt oder abgeschwächt wird.
Cytochrom P (CYP) 450-Enzyme, die insbesondere in der Leber, Niere und dem Gastrointestinaltrakt exprimiert sind, spielen bei der Metabolisierung von Arzneistoffen eine zentrale Rolle [3, 4]. Ihre Inhibition und Induktion kann für Arzneistoffe, die über dieses Enzymsystem abgebaut werden, fatale Folgen haben. Die Kenntnis über die Metabolisierungswege und die inhibitorische bzw. induktorische Potenz sind also essenziell für die Beurteilung einer Interaktion.
Aber nicht nur die Interaktion mit CYP-Enzymen ist in der Welt der Interaktionen von Relevanz: Neben anderen an der Metabolisierung beteiligten Enzymen (wie der Uridin-5′-diphospho-Glucuronosyltransferase u.a.) sind auch Transportproteine in der Betrachtung pharmakokinetischer Interaktionen wichtig. Insbesondere die Interaktion mit dem P-Glykoprotein, einem Effluxtransporter, führt im Falle einer Inhibition zu einer Verringerung der Ausscheidung und somit zum Ansteigen der Plasmakonzentrationen von Arzneistoffen, die über dieses Protein transportiert werden– und die Liste an Substraten ist ziemlich lang. Eine Erhöhung des Risikos für UAW kann die Folge sein.
Abbildung 1
Genug Theorie, auf in die Praxis
In Deutschland haben wir das Privileg einer integrierten Interaktionssoftware. Die ABDA-Datenbank² ist in jeder Apotheke und in jedem Warenwirtschaftssystem vorhanden, sieht aber bei jedem Warenwirtschaftssystem unterschiedlich aus. Damit wir uns durch den Interaktionsdschungel durchschlagen können, müssen wir den Aufbau dieser Datenbank verstehen. Mit der Umstellung der ABDA-Datenbank auf die ABDA-Datenbank² hat ABDATA die Klassifizierung von Interaktionen geändert– jetzt fließt auch die Studienlage mit in die Bewertung ein (s. Tab. 1).
Tabelle 1
Klassifikation | Bedeutung |
Kontraindiziert | Darf nicht miteinander kombiniert werden, ist kontraindiziert |
Schwerwiegend | Potenziell lebensbedrohlich oder schwerwiegende, evtl. irreversible Folgen für Patient:innen |
Mittelschwer | Therapeutisch relevante Folgen für Patient:innen |
Gering | Keine zwingend therapeutischen Folgen, ggf. Überwachung notwendig |
Produktspezifische Warnmeldung | Vorliegen spezifischer Hinweise eines pharmazeutischen Unternehmers, meist in Form einer Fachinformation |
Keine Interaktion zu erwarten | Hinweise in der Literatur, dass keine Interaktion auftritt bzw. aufgrund der Struktur/Pharmakokinetik/Pharmakodynamik zu erwarten ist |
Keine Aussage möglich | Bewertung kann auf Grundlage der vorliegenden Literatur nicht vorgenommen werden |
Bewertung der Studienlage | |
Klassifikation | Bedeutung |
Gut | Mehrere übereinstimmende klinische Studien mit Patient:innen |
Hinreichend | Mehrere übereinstimmende kleinere oder eine große Proband:innenstudie bzw. mindestens eine klinische Studie mit Patient:innen |
Schwach | Nur Einzelfallberichte, Fachinformationen bzw. diskrepante Studien vorhanden |
Nicht ausreichend | keine Daten vorliegend, die Aussage zur Interaktion ermöglichen; z.B. einzelne Fallberichte |
Nicht bekannt | Keine Daten vorliegend |
Tabelle 1 Klassifizierung der Schweregrade und der Studienlage von Interaktionen bei ABDATA [7]
Etwa die Hälfte aller Interaktionen sind mit dem Schweregrad „mittelschwer“ bewertet. Dieser wird in der Kasse in orange angezeigt, die Interaktionen sind jedoch in der Regel gut lösbar. Neben der ersten Anzeige in der Kasse, sollte zur Bewertung immer die Warnmeldung studiert werden, denn es existieren viele Möglichkeiten zur Handhabung der angezeigten Interaktion. Die Maßnahmen müssen sich immer an den individuellen Patient:innen orientieren und können z. B. Anpassung in der Handhabung, Dosisanpassungen oder Monitoring nach sich ziehen. So sind auch mögliche Kontraindikationen gut zu bearbeiten und kein Grund zur Panik. Zusätzlich kann das „Expertenwissen“ zugeschaltet werden, das die Warnmeldung um weiterführende Informationen wie die Datengrundlage ergänzt. Auch ermöglicht die ABDA-Datenbank² eine personalisierte Interaktionsprüfung, vorausgesetzt, die Merkmale der Patient:innen befinden sich in der Kund:innendatei.
Wir möchten selbstverständlich nicht andere Interaktionsdatenbanken unterschlagen, die eine wichtige Funktion im Interaktionsmanagement einnehmen: die SCHOLZ Datenbank, mediQ oder die englischsprachigen UpToDate® und Lexicomp® und andere unterstützen uns tagtäglich in unserem Alltag als Apotheker:in mit dem Ziel der stetigen Verbesserung der Arzneimitteltherapiesicherheit (AMTS).
Die häufigsten Interaktionen anhand von zwei Praxisfällen erklärt
Frau TD (76 Jahre) kommt schon viele Jahre in unsere Apotheke. Sie bringt ein Rezept über Spironolacton 50 mg (½-0-0) von ihrem Hausarzt mit. Prompt blinkt unsere Software auf– eine rote Warnmeldung. Jetzt erstmal einen kühlen Kopf bewahren. Auf Nachfrage berichtet sie uns, dass das Medikament aufgrund ihrer diagnostizierten therapieresistenten Hypertonie neu verordnet wurde und zeigt uns ihren Medikationsplan (s. Tab. 2):
Tabelle 2
Medikament | Wirkstoffe | Dosierung | Indikation |
Ramipril comp. 10/25 mg | Ramipril/HCT | 1-0-0 | Hypertonie |
Amlodipin 10 mg | 0-0-1 | Hypertonie | |
Alendronsäure 70 mg | 1x / Woche | Osteoporose | |
Simvastatin 40 mg | 0-0-1 | Hypercholesterolämie | |
Calcigen D 600 mg/ 400 I.E. | Calciumcarbonat/ Colecalciferol | 1-0-0 | Osteoporose |
Clozapin 25 mg | 1-0-1 | Schizophrenie | |
Allopurinol 100 mg | 0-0-1 | Hyperurikämie |
Tabelle 3
Medikament 1 | Medikament 2 | Typ | Klinische Folge |
Ramipril | Allopurinol | PD | Überempfindlichkeitsreaktion, SJS |
Alendronsäure | Calcigen D | PK | Verminderte Resorption Alendronsäure durch Komplexbildung |
Ramipril | Spironolacton | PD | Hyperkaliämie |
Simvastatin | Amlodipin | PK | Steigende Plasmakonzentration Simvastatin durch CYP 3A4 Inhibition: Myopathie/ Rhabdomyolyse |
Tabelle 3 relevante Interaktionen im 1. Fall; PD Pharmakodynamisch, PK Pharmakokinetisch, SJS Stevens-Johnson-Syndrom
Wie gehen wir jetzt mit dieser Anzeige um? Die 1. Interaktionsmeldung (s. Tab. 3) von Ramipril und Allopurinol lässt sich mit einer simplen Frage nach der Dauer der Einnahme klären: Sind bereits mehrere Monate vergangen besteht hier kein Handlungsbedarf. Bei einer initialen Einleitung der Therapie mit einem der beiden Stoffe sollte die Patientin innerhalb der nächsten sechs Wochen auf Hautveränderungen, Gesichts-, Lippen- und Zungenschwellungen achten. Erst bei Auftreten dieser Beschwerden sind die behandelnden Ärzt:innen aufzusuchen.
Auch die 4. Meldung kann direkt vor Ort geklärt werden: Die ohnehin schlechte orale Bioverfügbarkeit des Osteoporose-Medikaments wird bei zeitgleicher Einnahme mit polyvalenten Kationen durch Bildung unlöslicher Komplexe noch weiter verschlechtert. Ein Mindestabstand von zwei Stunden zwischen der Einnahme oder für die Verbesserung der Adhärenz eine abendliche Calcium-Gabe sind zu berücksichtigen [8].
Die 3. Meldung setzt Leitlinienwissen voraus: bei therapieresistenter Hypertonie ist gemäß der aktuellen ESC-Guideline die Gabe von niedrigdosiertem Spironolacton zu einer bestehenden Dreierkombination aus ACE-Hemmer, Calciumkanal-Blocker und Diuretikum empfohlen, sofern die Therapieresistenz nicht durch fehlende Adhärenz der Patient:innen begründbar ist [9]. Zudem müssen wir unser Augenmerk auf Risikofaktoren einer Hyperkaliämie legen, um individuell die Relevanz zu beurteilen: Hier ist insbesondere die Niereninsuffizienz zu nennen. Da wir allerdings keine Labordaten vorliegen haben, ist dies schwierig zu beurteilen. Die regelmäßige Kontrolle der Kalium-Konzentration im Blut ist auf jeden Fall dem Hausarzt anzuraten, um schnell eine Hyperkaliämie zu erkennen.
Bei der 4. Meldung kommen wir nicht um einen Anruf bei der/dem Ärzt:in herum: Gemäß Fachinformation ist eine Kombination von maximal 20 mg Simvastatin und 10 mg Amlodipin erlaubt [10]. Reicht nach Dosisreduktion die therapeutische Potenz des Statins nicht aus, ist ein Austausch gegen das kaum über CYP 3A4 metabolisierte Rosuvastatin möglich [11]. Die Ärztin stimmt bei Frau TD einem Austausch zu. Wieder eine gute Tat vollbracht– wir können stolz auf uns sein!
Frau TD möchte gegen ihre Kniebeschwerden Diclofenac-Tabletten in der Selbstmedikation erwerben.
Ganz wichtig– die stumpfe Abgabe von Diclofenac-Tabletten ist in diesem Fall ein Kunstfehler! Der Ausdruck „Triple Whammy“ beschreibt die Interaktion sehr einprägsam: Bei der gleichzeitigen Einnahme eines ACE-Hemmers, Sartans oder Aliskiren mit einem Diuretikum und einem nicht-steroidalen Anti-Rheumatikum (NSAR) schlagen drei Parteien auf die unschuldige Niere ein– ihre Durchblutung nimmt durch stark abfallenden Filtrationsdruck in den Glomeruli rasant ab, ein akutes Nierenversagen droht [12–15]. Frau TD weist Risikofaktoren auf, die die Wahrscheinlichkeit für ein solches Auftreten deutlich erhöhen (s. Abb. 2).
Abbildung 2
Wie also vorgehen? Feinfühlig Alternativen aufzeigen und der Patientin erklären, dass eine topische Therapie mit NSAR oder pflanzliche Alternativen mit Beinwellextrakt die bessere Wahl sind.
Frau TD kommt von ihrem Hausarzt mit einem Rezept über Cotrimoxazol forte (1-0-1) gegen einen unkomplizierten Harnwegsinfekt.
Schon wieder ein Cotrim-Rezept. Nicht nur, dass die Resistenzsituation (26% des gesamten Erregerspektrums! [16]) katastrophal ist, dass sowieso bestehende Agranulocytose-Risiko steigt bei Frau TD durch die gleichzeitige Einnahme von Clozapin (Kontraindikation!) massiv an. Ein Absetzen des Antipsychotikums ist keine Option. Gemäß der Leitlinie Schizophrenie ist nach Versagen eines Antipsychotikums direkt auf Clozapin umzustellen und die nicht dosisabhängig auftretenden Agranulozytose wird alle vier Wochen mittels Blutkontrolle ausgeschlossen [17, 18]. Der Hausarzt ist dringend zu kontaktieren: Aber weiß der Hausarzt von der Clozapin-Einnahme?
Wir können zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen: Wir finden für Frau TD eine bessere Antibiose und können gleichzeitig in das Verschreibungsverhalten des Arztes intervenieren, um die Resistenzsituation nicht weiter auszureizen: Gemäß der Leitlinie für unkomplizierte Harnwegsinfektion stehen uns Fosfomycin, Nitrofurantoin, Nitroxolin und Pivmecillinam als Mittel der ersten Wahl zur Verfügung [19]. Nitrofurantoin ist hier allerdings keine gute Empfehlung, denn es ist für ältere Patientinnen aufgrund der sich im Alter verschlechternden Nierenfunktion nicht geeignet. Unsere Wahl mit dem Arzt fällt auf Pivmecillinam, da Fosfomycin in der Anamnese nicht geholfen hat und Nitroxolin nicht vorrätig ist.
Herr GF (67 Jahre) streckt uns mit einem mitleidigen Seufzer ein Rezept über Ibuprofen-Tabletten von seiner Zahnärztin entgegen. „Hoffentlich helfen die!“ Dass Herr GF dringend eine Alternative braucht, meldet einerseits das Interaktionstool und ist auch im Medikationsplan ersichtlich, den wir uns von ihm zeigen lassen (s. Tab 4):
Tabelle 4
Medikament | Wirkstoffe | Dosierung | Indikation |
Janumet 50/1000 mg | Sitagliptin/Metformin | 1-0-0 | Diabetes Typ II |
ASS 100 mg protect | Acetylsalicylsäure | 0-1-0 | Blutverdünnung |
Foster 100/6 µg | Beclometason-dipropionat/Formoterol | 2-0-2 | Asthma bronchiale |
Simvastatin 40 mg | 1-0-0 | Hypercholesterolämie | |
Salbutamol | Bei Bedarf | Asthma bronchiale | |
Riopan Magengel | Magaldrat | Bei Bedarf | Sodbrennen |
Vivinox Sleep | Diphenhydramin | Bei Bedarf | Schlafstörung |
Tabelle 4 Medikationsplan Herr GF; Wirkstoffe nur definiert, sofern nicht unter Medikament geschehen
Interaktionspartner | Typ | Klinische Folge | |
ASS 100 protect | Ibuprofen | PD | Wirksamkeit ASS fraglich |
Tabelle 5 relevante Interaktionen im 2. Fall; PD pharmakodynamisch
Die ABDA-Datenbank² rät von der Verwendung von Ibuprofen bei Gabe von ASS 100 protect ab. Die zeitliche Freisetzung des Wirkstoffes aus den magensaftresistenten Tabletten kann mehrere Stunden betragen, deshalb sollte hier auf die gleichzeitige Einnahme mit Ibuprofen konsequent verzichtet werden. Anders sieht es bei schnellfreisetzenden ASS-Tabletten aus: Hier kann Ibuprofen zeitversetzt zu ASS 100 gegeben werden. Wie lösen wir nun das Problem? Da eine antiphlogistische Wirkung im Falle von Herrn GFs Zahnschmerzen notwendig ist, empfehlen wir ihm die Einnahme einer schnellfreisetzenden ASS-Formulierung und die erste Einnahme von Ibuprofen mit einer halben Stunde Abstand. Alternativ könnten wir Herrn GF auch Naproxen 250 mg empfehlen. Es besteht auch hier die Gefahr, dass der kardioprotektive Effekt von ASS 100 abgeschwächt wird, jedoch spricht man Naproxen auch einen gewissen, wenn auch schwächeren, thrombozytenaggregations-hemmenden Effekt zu, was bei einer kurzzeitigen Einnahme zu vertreten ist.
Herr GF kommt von der Gastroenterologin mit einem Rezept über ZacPac® aufgrund seiner Helicobacter pylori Infektion.
Natürlich schlägt unser Computer auch hier Alarm. Zurecht! Das in ZacPac® enthaltene Clarithromycin interagiert bei Herrn GF sowohl pharmakodynamisch als auch -kinetisch. Ein Anruf bei der Gastroenterologin und ein anderes Therapeutikum zur Eradikationstherapie muss also dringend erfolgen. Clarithromycin ist ein starker CYP 3A4-Inhibitor, dessen gleichzeitige Einnahme mit Simvastatin kontraindiziert ist, da hier das Risiko einer Rhabdomyolyse deutlich erhöht ist [20].
Nicht nur diese Interaktion stellt eine Kontraindikation dar, denn Herr GF nimmt zeitgleich Diphenhydramin ein [21]. Eine Interaktion die uns täglich begegnet: die QT-Zeitverlängerung. Das Risiko einer durch diese Eigenschaft diverser Arzneimittel ausgelösten Herzrhythmusstörung ist ebenfalls an gewisse Kriterien geknüpft (s. Abb. 3).
Abbildung 3
Was schlagen wir jetzt der Gastroenterologin vor? Als Alternative steht uns Pylera® zur Verfügung, das mit Omeprazol kombiniert wird. Auch hier leuchtet unsere Warnampel rot. Aber keep cool! In diesem Fall können wir mit dem Patienten gemeinsam dieser Interaktion entgegentreten und der Eradikationstherapie steht nichts im Wege: Das in Pylera® enthaltene Doxycyclin interagiert mit Riopan unter Komplexbildung, sodass eine Resorptionsminderung des Antibiotikums auftritt [22]. Da Herr GF nun auch Omeprazol erhält, können wir das Riopan in der Zeit seiner Eradikationstherapie absetzen. Problem erkannt – Problem gebannt.
Herr GF kommt vom Augenarzt mit einem Rezept über Timolol-Augentropfen.
Unselektive Betablocker wie Timolol können über ß2-Inhibition Asthmaanfälle auslösen– so die Theorie. Viele werden jetzt denken: „Das sind aber doch Augentropfen. Inwiefern kann hier eine relevante Wechselwirkung vorliegen?“ Nun ja. Untersuchungen mit der ophtalen Anwendung von Timolol zeigten eine hohe systemische Aufnahme, sodass nicht von einer rein lokaler Wirkung ausgegangen werden kann [23]. Eine Verschlimmerung des Asthmas kann auftreten. Wir schlagen also auch in diesem Fall dem Augenarzt eine Alternative vor, z.B. einen Carboanhydrase-Hemmer wie Dorzolamid. Ist ein Betablocker allerdings die einzige Option, kann durch die optimale Applikation die systemische Aufnahme reduziert werden- durch Abdrücken des Lakrimalkanals zwischen Augen und Nase und dem Schließen der Augen nach Applikation für mindestens zwei Minuten oder der Augenarzt verordnet den einzig verfügbaren ß1-selektiven Betablocker Betaxolol.
Fazit
Anhand von Praxisfällen lassen sich Interaktionen gut erklären. Sie verdeutlichen aber auch, dass Apotheker:innen wichtige Funktionäre im Gesundheitssektor sind und täglich als letzte Kontrollinstanz eine verantwortungsbewusste Arbeit verrichten. Interaktionen müssen individuell betrachtet und beurteilt werden. Hier konterkariert unser geschultes Auge und unser detektivischer Spürsinn die alleinige Verwendung einer Interaktionssoftware– unsere Tätigkeit ist also keinesfalls ersetzbar!
Literatur
[1] Reimche L, Forster AJ, van Walraven C. Incidence and contributors to potential drug-drug interactions in hospitalized patients. J Clin Pharmacol 2011;51(7):1043–50
[2] Obreli Neto PR, Nobili A, Lyra DP de et al. Incidence and predictors of adverse drug reactions caused by drug-drug interactions in elderly outpatients: a prospective cohort study. J Pharm Pharm Sci 2012;15(2):332–43
[7] ABDATA Pharma-Daten-Service. ABDA Datenbank 2: Manual 2021, https://abdata.de/wp-content/uploads/2021/11/abdadatenbank2-manual-2021.pdf, Zugriff 10. Mai 2022
[11] AstraZeneca Ltd. Fachinformation Crestor, www.gelbe-liste.de/produkte/Crestor-20-mg-Filmtabletten_510953#!
[12] Camin RMG, Cols M, Chevarria JL et al. Acute kidney injury secondary to a combination of renin-angiotensin system inhibitors, diuretics and NSAIDS: „The Triple Whammy“. Nefrologia 2015;35(2):197–206
[13] Dreischulte T, Morales DR, Bell S, Guthrie B. Combined use of nonsteroidal anti-inflammatory drugs with diuretics and/or renin-angiotensin system inhibitors in the community increases the risk of acute kidney injury. Kidney Int 2015;88(2):396–403
[14] Fournier J-P, Sommet A, Durrieu G, Poutrain J-C, Lapeyre-Mestre M, Montastruc J-L. More on the „Triple Whammy“: antihypertensive drugs, non-steroidal anti-inflammatory agents and acute kidney injury – a case/non-case study in the French pharmacovigilance database. Ren Fail 2014;36(7):1166–8
[16] Parsons, SR, Cornish NC, Martin B, Evans SD. Investigation of uncomplicated recurrent urinary tract infections in women. Journal of Clinical Urology 2016;9(4):234–8