Ein normales Pharmaziestudium im Wintersemester: Die erste Vorlesung, und draußen ist es noch dunkel. Mittags ein kurzer Weg in die Mensa, nachmittags geht es ins Labor. Beim Verlassen des Institutes ist es – oh Wunder – schon wieder dunkel. Aber was soll‘s, das Abendprogramm besteht sowieso aus der Vorbereitung des nächsten Labortages, einem Haufen Protokollen und einem kurzen Blick auf die Vorlesungen vom Vormittag – also theoretisch, denn es ist bereits Mitternacht. Auch wenn der Sommer kommt und die Tage immer länger werden: Unter Stress und Druck sind kleine Erholungsmomente extrem wichtig. Wohl dem, der sich schon im Studium passende Strategien für später angeeignet hat.
Grundsätzlich gilt: Love it, change it or leave it!
Ganz gleich, ob im Studium oder später im Beruf: Wer einem „Job“ nachgeht, der ihn langweilt, nervt, überhaupt nicht erfüllt oder übermäßig stresst, bei dem also alles darauf hindeutet, dass er nicht der richtige ist, der wird auch mit der besten Study-Life-Balance kein glücklicher Mensch. Beim Thema Work-Life-Balance werden immer mehr Stimmen laut, die sagen: „Wenn ich mich von meiner Arbeit erst aufwendig erholen muss, dann läuft doch irgendetwas komplett schief.“ Niemand hat so viel Freizeit, als dass er einen furchtbaren Job nach Feierabend ausgleichen könnte. Arbeit oder Studium und Freizeit – alles ist Lebenszeit, eine endliche Ressource, die es weise zu nutzen gilt.
Love it: Wer das, was er tut, grundsätzlich gerne tut und liebt, braucht nur darauf zu achten, dass es nicht viel zu viel von der gleichen Sache wird.
Change it: Der Studiengang passt, aber es ist schon ganz schön anstrengend. Da lässt sich etwas ändern und das Stresslevel senken.
Leave it: Wer so gar keine Leidenschaft für sein Studium entwickeln kann, sollte gut für sich prüfen, ob es wirklich das richtige ist. Gespräche mit guten Freunden oder den Eltern können da Klarheit bringen. Alternativ können die Beratungsangebote für Studierende oder ein unabhängiges Coaching genutzt werden, um neue Wege zu beleuchten. Auch der Einblick in die Praxis, zum Beispiel durch ein Praktikum im angestrebten Berufszweig, hilft weiter.
Offline muss sein
Warum sind Abschalten und Durchatmen so wichtig im Studium? Weil wir ansonsten in einem Teufelskreis landen und unglaublich ineffektiv werden. Es passiert schnell, dass wir uns von der Menge an Aufgaben verhaften lassen. Riesige Berge an Arbeit sind zu bewältigen, und das Erste, was einem in den Sinn kommt, ist, die Pausen zu verkürzen. Wenn noch mehr Arbeit dazukommt, werden die Pausen ganz gestrichen, und wenn das nicht mehr reicht, tut es vielleicht mal etwas weniger Schlaf. Hört sich im ersten Moment gar nicht wild an – und für kurze Zeit lässt sich das meist gut kompensieren. Die Kehrseite ist nur, dass wir in diesem „abgearbeiteten“ Zustand viel länger für alles brauchen. Die Arbeit geht uns nicht mehr von der Hand. Mehr Zeitressourcen müssen her, und ehe man es sich versieht, wird man zum ineffektiven, schlaftrunkenen Zombie.
Pausen zu machen, scheint so unlogisch an dieser Stelle, ist jedoch der einzige Weg raus aus dem Teufelskreis und hin zu mehr Effektivität.
Selbstbestimmt statt fremdbestimmt
ede Menge Stress und Unwohlsein kann dadurch resultieren, dass wir das Gefühl haben, fremdbestimmt zu sein. Den ganzen Tag tun wir nur das, was andere uns sagen oder was getan werden muss. Wenn es darum geht, einen Ausgleich zum Studium zu finden, sollte dieser für einen selbst wertvoll sein, Sinn ergeben oder einen möglichst großen Erholungsfaktor haben und auf jeden Fall einen Anstrich von Selbstbestimmung besitzen. Um eine Balance zu erzeugen, braucht es nun mal ein echtes Gegengewicht.
Diesem Gedanken folgend, wundert es nicht, dass zu den Top-Tipps für eine gute Study-Life-Balance immer wieder Sport und Hobbys gehören. Bei beidem stellen wir uns in den Mittelpunkt, tun uns etwas Gutes und gehen unseren Interessen nach. Das hat nichts mit Egozentrik zu tun, sondern damit, wohlwollender mit sich selbst umzugehen. Als Gedanke am Rande: Wenn wir es selbst nicht schaffen, gut zu uns zu sein, warum sollten uns dann andere Wertschätzung entgegenbringen?
Selbst der Studentenjob kann ein Ausgleich sein, sofern es eine Tätigkeit ist, die du leidenschaftlich gerne machst. Der zeitliche Aufwand, das nötige Engagement und andere Parameter wie Flexibilität sollten passen.
Keine Zeit für eine Auszeit?
Beim kurzen Blick auf das wöchentliche Zeitmanagement lassen sich für Sport, Hobbys oder Arbeit Möglichkeiten am Wochenende finden. An stressigen Tagen braucht es etwas mehr Nachdruck, um seine kleinen Erholungspausen zu bekommen, und ein paar Gedanken zur geschickten Planung sind im Vorfeld angebracht. Häufig fällt in diesem Zusammenhang das Wort Stressmanagement. Wieso heißt es eigentlich nicht Entspannungsmanagement? Ich für meinen Teil plane lieber meine Erholungspausen, anstatt meinen „Stress“ zu verwalten. Nun gut.
Die kleinste Auszeit lässt sich durch den Fitness-Tracker kultivieren mit der schlichten Erinnerung an eine Atempause. Einen Moment innehalten, tief durchatmen und Energie tanken lässt sich fast überall unbemerkt bewerkstelligen. Noch optimaler ist es, nach draußen zu gehen und etwas für die Sauerstoffsättigung im Blut zu tun. Eine sehr schöne und hilfreiche Methode aus dem Positive Coaching ist die Planung von Kurzurlauben, und damit meine ich wirklich kurze Kurzurlaube mit einer Dauer von 20 Minuten.
So funktioniert es: Überlege dir 30 Tätigkeiten, die du gerne machst und die nicht länger als 20 Minuten dauern. Suche in der nächsten Woche in deinem Kalender jeden Tag nach 20-minütigen Zeitfenstern und plane deine Kurzurlaube für diese Zeiten. Falls es nur jeden zweiten Tag passt, ist das zumindest ein Anfang. Wähle aus deiner Sammlung jeden Tag den Kurzurlaub, der dir an diesem Tag den besten Erholungseffekt verspricht. Erst mal angefangen, fallen einem immer mehr Möglichkeiten für diese besonderen Kurzurlaube ein.
Zum Start gibt es natürlich ein paar Tipps. Einer davon ist Waldbaden. Im Japanischen wird das „Baden im Wald“ Shinrin-Yoku genannt und ist dort Bestandteil eines gesunden Lebensstils: Waldluft schnuppern, das Rauschen des Baches verfolgen und über unterschiedliche Untergründe wandern. An japanischen Universitäten ist Waldmedizin ein anerkanntes Forschungsgebiet: Positive Effekte auf Atmung, Puls und Blutdruck wurden festgestellt, sodass das „Eintauchen“ in den Wald dort durchaus eine Empfehlung für Burn-out-Patienten ist.
Wem das zu unspektakulär ist, kann den Aufenthalt im Wald mit Geocaching oder dem Sammeln von Natur-Dekoration kombinieren. Jeder hat etwas anderes, was ihn entspannt, deswegen lohnt es sich, Unterschiedliches auszuprobieren.
Ideenliste für einen
Kurzurlaub in 20 Minuten
- In Ruhe Tee oder Kaffee trinken
- Ein Buch lesen
- Ein schönes Motiv fotografieren
- Ein Bad nehmen
- Eine Folge der Lieblingsserie gucken
- Einen Cocktail trinken
- Etwas Leckeres essen
- Urlaubsfotos anschauen
- Tanzen zu lauter Musik, egal wo
- Eine Zeitschrift lesen
- Meditieren oder Yoga
- Spazieren gehen
- Auf dem Sofa liegen
- Ein Fußbad nehmen
- Malen
- Ein YouTube-Video zum Lieblingsthema gucken
- Geocaching
- Handarbeiten oder Handwerken
- Waldbaden
- In einem schönen Geschäft stöbern
- Auf der Parkbank oder im Strandkorb sitzen
- Guerilla Gardening
- Fahrrad fahren, skaten
- Ein Instrument spielen
- Musik hören
Mindset und Zeitmanagement
Es gibt jede Menge Literatur dazu, wie sich ein positives Mindset formen lässt und welche Grundprinzipien für ein gekonntes Zeitmanagement gelten, deswegen an dieser Stelle nur ein paar Tipps abseits der Norm.
Tipp 1: Das Wichtigste beim Mindset zum Thema Study-Life-Balance ist: Du hast die Wahl!
Wie belastend wir eine Situation erleben, hängt zu einem großen Teil davon ab, worauf wir unsere Aufmerksamkeit richten.
Du hast die Wahl, dich selbst allein am Schreibtisch wiederzufinden oder dich mit anderen zusammenzutun, um gemeinsam durch das Studium zu kommen. Bei Licht betrachtet, kämpft nicht jeder für sich, sondern alle zusammen.
„Du hast die Wahl!“
Du hast die Wahl, 100% deiner Zeit für das Studium auszugeben oder anderen Dingen in deinem Leben einen Platz anzubieten. Du hast die Wahl, nur auf deine Schwächen zu schauen oder auf das, was du alles kannst. Du hast die Wahl, immer nur die Punkte zu sehen, die noch zu einem perfekten Ergebnis fehlen, oder wertzuschätzen, was du schon alles geschafft hast.
Tipp 2: To-do-Listen kann jeder. Schreib doch mal eine Not-to-do-Liste mit mindestens 10 Punkten. Worauf hast du keine Lust mehr? Was möchtest du aus deinem Leben verbannen? Wofür möchtest du nicht mehr deine Lebenszeit ausgeben? Das können Menschen sein, die dir nicht guttun, oder Dinge, die eher Stress als Freude bringen. Neben vielen utopischen Wünschen lässt sich immer etwas finden, was in deinem Leben nichts mehr zu suchen hat und einfach wegkann.
Tipp 3: Wer dazu tendiert, immer wieder Aufgaben aufzuschieben, kann sich mit zwei Tricks helfen:
Erstens: Die nervigste Aufgabe zuerst erledigen. Dann ist die schon mal weg, und es geht locker weiter. Zweitens: Im Vorfeld, vor allem für ungeliebte Aufgaben, ein Zeitlimit festsetzen. Nur in diesem Zeitkontingent darf die Aufgabe erledigt werden. Ist die Zeit abgelaufen, dann darf daran nicht weitergearbeitet werden. Vor allem für Projekte kann das ein Weg sein voranzukommen. Ein Beispiel: Jeden Tag von 19.30 Uhr bis 20.00 Uhr an Projekt XY arbeiten.
Gelebte Praxis ist leider oft: „Oh, in drei Tagen ist Abgabe. Wird schon gehen.“ Zwei Tage später beim Blick auf das leere Blatt: „Verflucht. MORGEN IST ABGABE!“
Was wirklich zählt
Auf einem Bein kann man nicht (auf Dauer) stehen. Man braucht einen Ausgleich, eine gute Study-Life-Balance. Denn es gibt nicht nur das Studium, sondern noch viel mehr im Leben. Vor allem gibt es nichts, was es wert sein könnte, auf seine sozialen Kontakte zu verzichten und seine guten Freunde (nicht Follower) links liegen zu lassen. Stell dich gut auf und bleib im Kontakt – das schafft Balance!