Chemie-Seminar vernetzt Studierende aus 14 Ländern
Wenn die Lehre schon digital sein muss, warum nicht gleich global? Diesen Gedanken setzte eine Arbeitsgruppe an der Universität des Saarlandes in die Tat um. Das zweite Semester in Folge organisierten sie den „Global Classroom“. Das Projekt sollte nicht nur Ersatz für pandemiebedingt fehlende Austauschprojekte sein, sondern Studierenden ärmerer Länder den Zugang zu guter Lehre ermöglichen.
Für die Forschenden der Arbeitsgruppe „Bioorganische Chemie“ um Professor Claus Jacob schien der Gedanke, global zu lehren, selbstverständlich. Wissenschaftler denken heute sowieso international. Und weil die Universität des Saarlandes in der Grenzstadt Saarbrücken gelegen ist, mögen die Bewohner naturgemäß noch offener für grenzübergreifende Projekte sein.
Der erste „Global Classroom“ fand bereits 2020 mit Studierenden aus sechs Ländern statt. Nach dem erfolgreichen Start entschloss sich die Arbeitsgruppe, das Projekt auszubauen. Zum Sommersemester 2021 waren Studierende der Pharmazie, Chemie und Biologie aus insgesamt 14 Ländern dabei. Die mehr als 200 Teilnehmer kamen aus Deutschland, Armenien, dem Gazastreifen, Georgien, Ghana, Griechenland, Lettland, Marokko, Moldawien, Montenegro, Nordmazedonien, Pakistan, Polen, Russland und Syrien. Die Vorlesung „Fireworks of Elements“ hielten Mitarbeiter der Arbeitsgruppe „Bioorganische Chemie“ auf Englisch.
Nicht nur Hardcore-Chemie, sondern auch Soft-Skills
Thema war nicht nur die übliche Vorlesung der allgemeinen und anorganischen Chemie. Teil der Reihe waren zusätzliche Tutorien und die Arbeit in virtuellen Kleingruppen sowie einen zweiwöchigen Sommerkurs für Studierende im Master und Doktorand:innen. Außerdem hielten jeden zweiten Freitag Wissenschaftler aus Brasilien, Lettland und Frankreich Workshops zu den Feldern, die sie erforschen. „Das ist ein Vorgeschmack auf die Lehre in zukünftigen Jahren“, sagte Claus Jacob anlässlich der Einführungsveranstaltung am 29. April, „wir sind hier Pioniere“.
Er betonte die fantastische Möglichkeit, die sich daraus ergebe, wenn interessierte Studierende von der ganzen Welt zusammenarbeiten könnten. Wichtig ist Professor Jacob, dass beim Kurs nicht nur fachliches gelehrt wird, sondern auch Soft-Skills. Über die Tutorien und Kleingruppenarbeiten sollen Studierende lernen, international zusammenzuarbeiten und aufeinander zuzugehen. Gleichzeitig geben die Dozierenden in den Workshops jeden zweiten Freitag Tipps für diejenigen, die an einer Forschungsarbeit interessiert sind.
Ein Ziel: International zusammenhalten
Ein weiteres Ziel von Professor Jacob und seinem Team war, nicht nur einheimischen den Zugang zu guter Lehre zu ermöglichen, sondern auch Studierenden in Ländern, die weniger Mittel für die Lehre zur Verfügung stellen können. Dafür schien das Online-Konzept geeignet, obgleich sich auch hier Probleme anbahnten: Nachdem sich die israelische Armee und die radikal-islamischen Hamas im Mai 2021 schwere Auseinandersetzungen geliefert hatten, meldete Palästina zahlreiche Tote und durch Raketenangriffe zerstörte Gebäude.
Die global Classroom-Studierenden der „Islamic University of Gaza“ gaben lange Zeit kein Lebenszeichen von sich. Die Veranstalter sorgten sich schwer, ob die palästinensischen Teilnehmer:innen der Vorlesung wohlauf seien. Zum Zeitpunkt der Waffenruhe Ende Mai 2021 war ein kleiner Teil der Studierenden im Konfliktgebiet wieder dabei, doch Probleme mit der Internetverbindung in Gaza erschwerten die Teilnahme.
Den Schattenseiten zum Trotz: Das Projekt half den Studierenden, internationale Freundschaften aufzubauen, wie es derzeit durch Erasmusprogramme, bedingt durch die Pandemie, nicht möglich ist oder lange Zeit war. Es legte den Grundstein für Studierende außerhalb Deutschlands, einmal das Saarland zu besuchen. „Wenn ihr dann nach Deutschland reisen könnt, habt ihr Freunde hier“, so Jacob zu seinem internationalen Auditorium.
Bis Ende 2021 fördert das Programm „Ostpartnerschaften“ des Deutschen akademischen Austauschdienstes die Vorlesungsreihe. Wer mehr über das Projekt erfahren – oder einfach teilnehmen möchte, kann das Team der Universität des Saarlandes unter diesem Link kontaktieren.